Massenflucht im Osten des Kongo

In der Region Ituri sind nach Angaben der UNO 25.000 Menschen geflohen. Blauhelmsoldaten unterstützen Regierungstruppen bei ihrer Offensive gegen Rebellen

Plünderungen durch die Soldaten sind inzwischen fast systematisch

BUNIA taz ■ Die Regierungsarmee der Demokratischen Republik Kongo greift seit mehreren Wochen mit Unterstützung der UNO Rebellengruppen in der Region Ituri im Nordosten des Landes an. Bei der jüngsten Offensive südlich der Distrikthauptstadt Bunia, die am Dienstag beendet wurde, soll die Armee mehrere Dörfer geplündert haben. Vermutlich sind viele Zivilisten in der Kampfzone ums Leben gekommen, während sich tausende weitere auf der Flucht befinden. Laut inoffiziellen Angaben aus Militärkreisen ist für Ende der Woche eine weitere Offensive im Norden Ituris in der Gegend um die Ortschaft Nyoka geplant.

Diese Offensiven gegen lokale Milizen, die parallel auch in anderen Regionen im Osten des Kongo durchgeführt werden, sollen die Kontrolle der Übergangsregierung in Kinshasa in allen Landesteilen etablieren. Das ist eine Voraussetzung für das im Dezember geplante Referendum über eine neue Verfassung. Im Anschluss soll bis Juni 2006 eine neue Regierung gewählt werden.

Nach Angaben der kongolesischen Armee (FARDC) sind bei der Offensive in der vergangenen Woche am Semliki-Fluss, der die Grenze zu Uganda bildet, und bei den jüngsten Kämpfen um die Ortschaften Kagaba und Bavi insgesamt 110 Rebellen getötet worden. Viele weitere sollen verletzt worden sein, so Hauptmann Olivier Mputu, Sprecher der FARDC in Bunia. „Die Milizen lassen ihre Verletzten nicht zurück. Wir können nur aus den vorgefundenen Blutspuren auf Verletzte schließen.“ Aufseiten der FARDC kam nach Angaben Mputus ein Soldat ums Leben, während sieben verletzt wurden, vier davon schwer.

Laut verschiedenen unabhängigen Berichten aus der Bevölkerung hielten sich in den umkämpften Ortschaften zahlreiche Zivilisten auf, die möglicherweise von den Rebellen der MRC ( Revolutionäre Kongolesische Bewegung) an der rechtzeitigen Flucht gehindert wurden, um als menschliche Schutzschilde zu dienen. Wie viele Zivilisten durch Beschuss der FARDC getötet wurden, ist unklar. Weder die UNO noch die Armee nannte entsprechende Zahlen. Hilfsorganisationen sind in dem von der FARDC und UN-Soldaten abgeriegelten Landstrich nicht vertreten. Armeesprecher Mputu räumte allerdings ein: „Solche Opfer gibt es immer, daran mangelt es nie.“

Die Rebellen, die den südlichen Teil des Distrikts Ituri mehrere Jahre kontrolliert haben, sind bekannt dafür, bei Kampfhandlungen die Nähe von Zivilisten zu suchen. Bei einer früheren Offensive in der ersten Jahreshälfte gaben die Blauhelmsoldaten der UN-Mission im Kongo (Monuc) Warnschüsse ab, nachdem Frauen und Kinder vor die feuernden Milizionäre postiert worden waren.

Nach Angaben aus Monuc-Kreisen griffen die Blauhelmsoldaten diesmal nicht aktiv in die Kämpfe ein. Allerdings führte die UN-Mission mit Hubschraubern militärische Aufklärung durch und gab die gewonnenen Informationen an die FARDC weiter. „Außerdem schüchtern die Kampfhubschrauber die Rebellen ein“, so ein Offizier der Blauhelmtruppe. Zugleich stellte Monuc der unzureichend ausgestatteten FARDC Benzin und Essensrationen zur Verfügung und transportierte die Regierungssoldaten in die Kampfgebiete.

Dies hinderte die FARDC offenbar allerdings nicht daran, eroberte Siedlungen unter den Augen der UN-Truppen zu plündern. Mehrere unabhängige Zeugen am Rande einer aus dem Konfliktgebiet in die Distrikthauptstadt Bunia führenden Straße bestätigten gegenüber der taz, dass die FARDC Ziegen und anderes Beutegut in ihren Lastwagen transportierte. Entlang dieser Strecke waren mehrere Monuc-Einheiten stationiert. Von ihren Positionen aus müssen sie diese Transporte beobachtet haben.

Dass es Plünderungen durch die FARDC gibt, ist auch in anderen Gebieten Ituris ein offenes Geheimnis. Die Soldaten sind unterbezahlt und bekommen oft keinerlei Verpflegung. „Die Plünderungen werden nicht mehr verheimlicht“, so Modibu Traore, der Chef des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Hilfe (Ocha), in Bunia. „Sie sind inzwischen fast systematisch.“

Die FARDC wie auch die Monuc sollen nun Untersuchungen über die Ereignisse während der Offensive durchführen. „Wir haben noch keine Angaben über die Bilanz dieser Offensive, die aber sicherlich ein Erfolg war“, erklärte Moussa Diallo, Sprecher der Monuc in Bunia. „Es ist allerdings immer eine Untersuchung über das Verhalten der FARDC gegenüber der Bevölkerung notwendig.“

Modibu Traore von Ocha schätzt die Zahl der vor den Kämpfen geflüchteten Personen auf etwa 25.000. Hilfsorganisationen sind gegenwärtig damit beschäftigt, ihre genaue Zahl festzustellen und sie mit dem Notwendigsten zu versorgen.

ALEX VEIT