Minderheiten in Indonesien: Mehrere Tote bei brutalen Übergriffen

Zwei Angriffe auf religiöse Einrichtungen in Indonesien fordern mehrere Tote. In der Hauptstadt wird unterdessen der Pluralismus des Vielvölkerstaats gefeiert.

Eine aufgebrachte Menschenmenge versammelt sich vor einem Gerichtsgebäude, nachdem zuvor ein Christ wegen Blasphemie zu einer in ihren Augen zu niedrigen Strafe verurteilt wurde. Bild: reuters

JAKARTA taz | Eigentlich sollte diese Woche im Zeichen der interreligiösen Harmonie in Indonesien stehen. Im Land mit der weltgrößten muslimischen Bevölkerung garantiert die Verfassung Religionsfreiheit. Doch während sich in der Hauptstadt Jakarta hunderte Gäste verschiedener Glaubensrichtungen versammelten, um den Pluralismus im Vielvölkerstaat zu zelebrieren, erschütterten gleich zwei brutale Übergriffe auf religiöse Minderheiten das Land.

Am Dienstag zerstörten Radikalislamisten in Zentraljava Teile eines Gerichtsgebäudes sowie drei Kirchen, nachdem zuvor ein Christ wegen Blasphemie zu einer in ihren Augen zu niedrigen Strafe verurteilt wurde. Der Protestant Antonius Richmond Bawengan hatte Schriften verteilt, die sowohl den Islam als auch den Katholizismus kritisierten. Unter den zerstörten Kirchen waren sowohl protestantische als auch katholische.

Zuvor hatte am Sonntag ein Übergriff auf Vertreter der Ahmadiyah in Westjava mindestens drei Todesopfer gefordert. Anstatt die Opfer zu schützen, sah die Polizei dem Geschehen zu, wie im Internet kursierende Videoaufnahmen zeigten. Die Jakarta Post nannte die Übergriffe "Staatsterror" und verwies darauf, dass die Gewalt gegen Ahmadiyah-Anhänger in den letzten Jahren zugenommen habe.

Ahmadis sehen nicht Mohammed, sondern den Gründer ihrer Sekte, Mirza Ghulam Ahmad, als letzten Propheten an. 2005 hatte Indonesiens Rat der Muslimgelehrten eine Fatwa erlassen, nach der die Lehren der Ahmadiyah vom Koran abwichen. Die Regierung wurde gedrängt, die Sekte zu verbieten. 2008 untersagte sie den Ahmadis die öffentliche Ausübung ihrer Religion. Im September 2010 forderte Religionsminister Suryadharma Ali gar das vollständige Verbot der Ahmadiyah. Für Kritiker ist dies eine Einladung an gewaltbereite Islamisten.

Vertreter eines toleranten Islam in Indonesien verurteilten die Übergriffe und forderten die Regierung auf, die verfassungsmäßigen Rechte für religiöse Minderheiten zu garantieren. "Es gibt eine Tendenz der Behörden, den ,abweichenden Glauben' von Minderheiten für die ihnen angetane Gewalt verantwortlich zu machen", so Dwi Rubiyanti Kholifah, Indonesien-Direktorin des Asian Muslim Action Network (AMAN).

Das Setara-Institut in Jakarta, das sich für Pluralismus einsetzt, forderte den Rücktritt des Religionsministers und einen nationalen Aktionsplan zur Sicherung der Religionsfreiheit. Der prominente indonesische Menschenrechtsanwalt Todung Mulya Lubis kündigte an, die Übergriffe auf die Ahmadiyah vor die Asiatische Menschenrechtskommission (AICHR) zu bringen.

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