Dossier Arabische Revolution: Die syrische Schockstarre

Das Internet in Syrien ist teuer und langsam. Junge Syrer entwickeln derzeit Tarnsoftware, um sich online zu vernetzen. Denn das Militär schreckt vor nichts zurück.

Die syrische Regierung hat die Blockade gegen Facebook und Youtube aufgehoben. Jetzt weiß sie, wer was auf diesen Seiten tut: Internetcafé in Damaskus. Bild: dapd

ROM taz | Wie der Rest der Region erlebt Syrien durch die Ereignisse in Tunesien und Ägypten einen Schock. Und wie die anderen Diktaturen versucht auch die syrische zu verhindern, dass der Funke überspringt. Zugleich hat die Regierung die Blockade gegen Facebook und Youtube aufgehoben. Das hat allerdings auch einen Nachteil: Früher nutzten Syrer diese Seiten anonym. Jetzt weiß die Regierung genau, wer was auf diesen Seiten tut.

Proteste gibt es in Syrien nicht. Aber ich weiß von einer kleinen Gruppe, die aus Solidarität mit den Ägyptern zwei Sit-ins gemacht hat. Das erste Mal blieben sie eine Stunde lang sitzen. Als sie es zwei Tage darauf wieder versuchten, schlugen Geheimpolizisten auf sie ein. Die reguläre Polizei sah tatenlos zu.

Eine Situation wie in Ägypten oder Tunesien kann ich mir für Syrien leider nicht vorstellen. Denn dort stand das Militär auf der Seite der Menschen. Die Syrer hingegen wissen: Die Armee wird von der Familie Assad kontrolliert. Falls sie das für notwendig hält, würde sie die Hälfte der Bevölkerung erschießen. Die Jugend in Tunesien und Ägypten wusste das Internet zu nutzen. In Syrien haben viele Leute schon Angst, ein paar Artikel online zu lesen.

Wenn Hafis al-Assad noch Präsident wäre, könnte ich mir eher vorstellen, dass etwas passiert. Aber Baschar al-Assad ist jung, und viele halten ihn für einen Helden, weil er keinen Frieden mit Israel geschlossen hat. Das Internet ist trotzdem wichtig. Die Aktivisten beziehen daraus ihre Informationen und kommunizieren über das Netz miteinander. Syrer sind bekannt dafür, die Netzzensur technisch zu umgehen. Gerade in diesen Tagen versuchen junge Leute, Tarnsoftware zu verbreiten, damit sich die Menschen trauen, online aktiv zu werden und auch auf die Straße zu gehen.

Aber das Internet in Syrien ist teuer, und man bekommt es nicht ohne Weiteres ins Haus. Und es ist langsam. Es wird hauptsächlich von jungen Leuten genutzt und von Angestellten in der Wirtschaft.

Diese und andere Stimmen aus der arabischen Welt können Sie in der Donnerstagsausgabe, 17. Februar, in der taz auf sechs Seiten lesen. Die Beteiligten des Aufstands in Ägypten, Tunesien und anderen arabischen Ländern sprechen über ihre Ziele, Hoffnungen und Ängste. Am Kiosk oder am E-Kiosk, www.taz.de/ekiosk.

Bloggen ist nicht sehr verbreitet, es ist verboten, und die meisten Syrer wissen überhaupt nicht, was ein Blog ist. Viele haben zum ersten Mal davon gehört, als die 19-jährige Bloggerin Tal al-Mallouhi verhaftet wurde, die vor wenigen Tagen wegen Spionage für die USA zu fünf Jahren Haft verurteilt worden ist. Kluge Menschen wie sie machen dem Regime Angst. Sie sprach über Freiheit anstatt über Fußball. Das ist bei uns bislang noch ein Verbrechen.

PROTOKOLL: KERSTIN GRIESSMEIER

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