Schlager oder Waffen: "Ich würde auch Pony-Höfe designen"

Martin Hüdepohl baut seit seiner Kindheit funktionierende Waffen aus Lego, die ihm jetzt zu einer kleinen Berühmtheit im Internet verholfen haben. Ein paar Klicks entfernt lässt er sich aber auch als verschnulzter Schlagersänger begutachten.

Fühlt sich mit Lego zurückversetzt zu den Urahnen, die Speere schnitzten: Martin Hüdepohl. Bild: Miguel Ferraz

taz: Herr Hüdepohl, auf wen haben Sie Ihre erste Lego-Waffe abgefeuert?

Martin Hüdepohl: Meine Schwester war immer sehr gemein zu mir. Gegen die wollte ich mich zur Wehr setzen. Ich durfte als Kind keine Spielzeugwaffen haben und habe mir deswegen meine eigenen aus Lego gebaut. Die ersten Versuche gingen aber nach hinten los und so hatte ich selbst am meisten unter ihnen zu leiden. Auch in Selbstschuss-Anlagen bin ich meistens selbst reingetreten.

Warum haben Sie Ihre Waffen gerade aus Lego gebaut?

Früher habe ich viel mit Lego gespielt. Holzwaffen und Zwillen waren mir immer zu primitiv. Ich war damals inspiriert von Heldensagen, in denen richtig coole Waffen vorkamen. Die wollte ich auch haben. Die Waffen sollten aber nicht nur gut schießen können, sondern vor allem auch eine richtig gute Mechanik in sich haben.

Welche Heldenfiguren haben Sie inspiriert?

Ich habe mich meistens nicht für die Waffenträger, sondern eher für die Waffenbauer interessiert. Daher war nicht He-Man mein Held, sondern sein Zulieferer Man-At-Arms. Aber ansonsten ist auch Wilhelm Tell eines meiner Vorbilder. Der hatte diese coole Armbrust.

MARTIN HüDEPOHL 29, stammt aus Eckernförde und wohnt zurzeit in Hamburg. Im Alter von acht Jahren hat er seine erste funktionsfähige Lego-Waffe gebaut, mit 16 bereits eine ganze Reihe davon entwickelt.

Seit rund zwei Jahren hat er eine stetig wachsende Fangemeinde auf Youtube, die ihm auch seine Bauanleitungen "Badass Lego Guns" oder "Weapons for Lego Lovers" abkauft.

Für eine Karriere versucht er, sich Optionen offenzuhalten: Er singt und produziert Schlager, könnte sich aber auch vorstellen, als Grafikdesigner oder Synchronsprecher zu arbeiten.

Auf Youtube gibt es zwei Videos von Ihren Waffen. Eines wurde schon über eine Million Mal angeschaut. Haben Sie geahnt, dass Sie mit Ihrer Arbeit auf ein derart großes Interesse stoßen würden?

Ich kannte Filme von anderen Nutzern mit ihren Legowaffen. Die hatten alle hohe Klickzahlen, obwohl die Waffen richtig schlecht waren. Da hatte ich als kleiner Butschi bessere Waffen gebaut. Also habe ich meine Arbeit von damals wieder aufgenommen, meine alten Waffen weiterentwickelt und Videos von ihnen ins Netz gestellt. Innerhalb kurzer Zeit wollten sehr viele Leute meine Bauanleitungen haben. Inzwischen habe ich zwei Bücher veröffentlicht.

Wissen Sie, wer Ihre Fans sind?

Es sind nur Männer. Frauen kaufen die Bücher nur für ihre Lebensgefährten oder Söhne. Schade! Viele Fans sind erst zwölf Jahre alt, das geht dann hoch bis zu den 30-Jährigen. Die finden die Waffen cool und möchten sie auch gerne selbst bauen. Ich habe schon mal einem Brief von einem Mann bekommen, der wollte sich bei mir bedanken, dass er es mithilfe meiner Bücher geschafft hatte, seinen Sohn vom Computerbildschirm wegzuholen. Die haben jetzt wohl ein richtiges Vater-Sohn-Projekt.

War es einfach, Verleger für Ihre Bauanleitungen zu finden?

Mein erstes Buch ist im Eigenverlag erschienen, das zweite in einem amerikanischen Verlag. Als ich mein Exposé herumgeschickt hatte, bekam ich gleich drei Rückmeldungen aus Amerika - aber keine einzige aus Deutschland. Leider hat der Verlag meiner Wahl das Buch ein bisschen zu nett aufgemacht, mit Vorwort und Dank. Dabei muss ein Buch über Waffen doch vor allem hart sein.

Hatten Sie kein Mitspracherecht?

Doch schon, aber in "meinem" Vorwort haben sie einfach ein paar weichgespülte Sätze eingebaut, so nach dem Motto: "Ich hoffe, ihr habt beim Lesen des Buches genauso viel Freude wie ich beim Schreiben". Vielleicht wollten die Verleger aber auch den Titel "Badass Lego Guns" ein bisschen abmildern. Einige Eltern haben sich wohl über die Umgangssprache beschwert. Dabei kaufen sie ihren Kindern ein Buch über Waffen. Das ist doch Doppelmoral.

Können Sie verstehen, wenn Menschen moralische Bedenken in Bezug auf Ihre Waffen haben?

Was hat Shakespeares Hamlet gesagt: "An sich ist nichts weder gut noch schlimm. Das Denken macht es erst dazu." Für die einen sind es begehrenswerte Objekte, Symbole der Macht, für die anderen sind es Schreckensbilder. Dabei sind es ja im Grunde genommen nur Gegenstände. Dadurch, dass ich das Buch geschrieben habe, werden bestimmt einige Haustiere oder Schwestern zu leiden haben. Ich stehe aber nun mal auf der Seite der kleinen Jungs, die sich freuen, dass sie endlich mal eine ordentliche Knarre haben und in der Schule angeben können. Es sind aber ja auch keine richtigen Waffen, sondern Spielzeugpistolen.

Woraus bestehen Ihre Waffen?

Sie bestehen ausschließlich aus Lego und Gummibändern.

Trotzdem erinnern sie nicht gerade an die Standard-Legobausätze.

Anfangs habe ich einfach das genommen, was da war. Aber Legoteile haben eine Entwicklung durchgemacht. Irgendwann konnte man sie nicht nur aufeinander, sondern auch nebeneinander verbinden. So konnte ich auf einen Schlag viel filigraner bauen.

War Ihre erste Waffe noch aus der ersten, klassischen Generation von Steinen gebaut?

Ja, daher war sie auch nicht besonders gut und sah ziemlich grob aus.

Wie lange dauert es, bis Sie ein Modell fertiggestellt haben?

Das hängt vor allem von seiner Größe ab. Für die Maschinenpistole habe ich fast ein halbes Jahr gebraucht, die kleine Pistole "Arabella" hatte ich hingegen in einer Woche fertig.

Können Sie sich erklären, was die Faszination Ihrer Legowaffen ausmacht?

Sich selbst eine Waffe zu bauen, hat etwas ausgesprochen Sinnliches an sich, sowas, was für eine Frau vielleicht das Stricken ist. So wie es für eine Frau eine Erfüllung ist, für Haus und Heim zu sorgen, zu stricken und zu kochen, ist es für einen Mann eben etwas Cooles, eine Waffe zu bauen. Wenn ich hier so sitze und meine Waffen anschaue, kommt es mir so vor, als würde ich am Lagerfeuer sitzen. Ich fühle mich zurückversetzt zu meinen Urahnen, die ihre Speere schnitzten.

Könnten Sie mit Ihren Legowaffen ernsthaft was ausrichten?

Das läuft auf einer anderen Ebene. Mit den Waffen kann ich höchstens auf Youtube angeben. Sollte bei mir jemand einbrechen, wäre ein Faustschlag immer noch zuverlässiger. Jeder Stein auf der Straße ist gefährlicher als eine Legoknarre.

In Ihrem Bauplan-Sortiment befindet sich auch ein Lego-Butterfly-Messer. Warum?

Naja, Butterfly-Messer sind ja verboten. Wenn man aber trotzdem die Tricks üben will, ist es praktisch, wenn man sich eines aus Lego bauen kann. Aber es ist eben ganz ungefährlich.

Wer Ihr Youtube-Profil Xubor2000 besucht, sieht, dass Sie auch noch andere Leidenschaften haben: Sie singen Schlager. Wie passt das mit Waffenkonstruktionen zusammen?

Die Musik ist zu einer Zeit entstanden, in der ich eher friedliebend war. Liebe und Macht sind die entscheidenden Themen im Leben eines Menschen. Die Waffen stehen in meinem Fall für die Macht, die Volksmusik für die Liebe. Schlager ist ein Hobby. Ich mag es gerne, weil es so einfach ist: Das kann auch ein Laie komponieren.

Ihre Waffenvideos sind allerdings mit Ihren eigenen Songs unterlegt. Lassen sich die beiden Pole Liebe und Macht also doch verbinden?

Liebe plus Macht ist der Mensch. Das sind zwei Seiten derselben Medaille.

Wie herum hängt Ihre Medaille?

Das ändert sich. Aber ich glaube, wer auf der martialischen Seite steht, kann auch mehr Liebe empfinden und geben. Man muss sehen, dass sich die beiden Triebe nicht gegenseitig bekämpfen, Man muss beide so gut es geht ausleben. Und wenn man Aggressionen in sich trägt, muss man versuchen, sie so zu kanalisieren, dass niemand Schaden nimmt.

Produzieren Sie Ihre Musik selbst?

Ja, ich habe sie größtenteils am Computer programmiert. Jetzt arbeite ich aber mit einem Typen zusammen, der Musik für Handyspiele schreibt. So komponiere ich nur noch und schreibe Texte.

Treten Sie mit Ihrer Musik auch öffentlich auf?

Ich singe momentan gar nicht mehr selbst. "Kommando Liebe" und "Kaiser & Wilhelmi" waren nur vereinzelte Projekte. Mit einem Lied wollte ich aber ganz groß rauskommen und auch auftreten: "Drei geile Löcher". Ich habe es extra für den Ballermann geschrieben. Das hat aber Rainald Grebe von mir geklaut. Der hat es zwei Jahre lang immer wieder auf seinen Tourneen gesungen und sich damit über das peinliche Verhalten von Deutschen im Urlaub lustig gemacht. Ich wollte eine Entschädigung haben, aber seine Managerin meinte, er dürfe das: Es sei schließlich eine Parodie. Jetzt muss ich ihn, glaube ich, verklagen.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Momentan promote ich noch mein Buch, helfe aber auch meiner Tante bei ein paar Photoshop-Projekten. Ich hätte natürlich auch Bock, bei Lego zu arbeiten. Obwohl sie bei Lego die Geschichte mit den Waffen natürlich ziemlich scheiße finden. Gegen mein allererstes Buch sind die sogar rechtlich vorgegangen. Aber vielleicht kann ich denen ja klarmachen, dass ich noch was anderes kann. Ich würde denen auch Trecker und Ponyhöfe designen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.