SPRACHRÄUME

Um biografisches Erzählen geht es in dem Stück „Scherbenkonto“, das in drei Akten den Tod des Ehemannes und Vaters verarbeitet. Die Ehefrau und Mutter sowie die zwei Kinder räumen die Wohnung auf, sortieren die Sachen, stoßen auf Dokumente, Fotos und gesammelte Gegenstände, deren Nutzen nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist. Neben dieser physischen Ebene des In-die-Hand-nehmens spinnen sich Geschichten und Erinnerungen der drei Figuren zu den Fundsachen und im Laufe des Abends schält sich nicht nur ein komplexes Familiengefüge hinaus, sondern die Figuren nähern sich an und entdecken immer neue Ecken an ihren Nächsten. Mi, 27. 2., Do, 28.2., Fr, 1.3., Sa, 2.3., jeweils 20 Uhr, Monsun Theater, Friedensallee 20

Wem gehört Berlin? Diese Frage wird immer wieder ausgiebig in den Feuilletons diskutiert und offenbart nur die absurdesten Ressentiments gegen Touristen und den grassierenden lokalen Kiezstolz der ehemals Zugezogenen. Um das „Dazugehören“ geht es auch in dem Episodenstück „Integrare heißt erneuern“ von Reto Kamberger, ebenfalls ein aus der Schweiz ausgewanderter Neuberliner, der aber als historischen Anfangspunkt das berühmteste Bauwerk der Hauptstadt wählt und plakative Figuren ins Rennen schickt. Eine Frau aus dem Osten, einen Westberliner, die obligatorische Schwäbin und einen Deutschtürken. Sie leben in der Stadt, auf der einen oder anderen Seite, und auch wenn die Mauer abgerissen wurde, liegen noch Bruchstücke in den Köpfen. Wie sie leben und wie oder ob die Mauer in den Köpfen klein geklopft werden kann, um einen Blick auf ein „Miteinander“ zu eröffnen, loten die vier unterschiedlichen Charaktere in packenden und auch wahnwitzigen Dialogen aus. Sa, 23. 2., 20.15 Uhr, Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15b

Frühzeitig um Karten sollten sich Interessierte bemühen, wenn sie die Inszenierung des realen Stoffes „Die Protokolle von Toulouse“ sehen wollen. Das Stück handelt von einem Gespräch zwischen zwei jungen Männern, der eine ist Polizist, der andere ein Mörder, der kürzlich drei Soldaten, drei jüdische Kinder und einen jüdischen Lehrer umgebracht hat. Nun sitzt er umzingelt in einer Wohnung und verhandelt mit dem bekannten Polizisten über seine Kapitulation. Sie reden, erzählen sich ihren Werdegang, machen Witze und auch Komplimente über ihre Walkie-Talkies. Das Gespräch wurde aufgezeichnet, später in der Zeitung Libération veröffentlicht und von der Journalistin Karen Krüger ins Deutsche übersetzt. Auch für die Bühne kommt dieser Tatsachen-Stoff ohne zusätzliche fiktive Wendungen aus und dokumentiert ein schwer vorstellbares Attentat. So, 3. 3., 20 Uhr, Thalia in der Gaußstraße, Gaußstraße 190

KENDRA ECKHORST