Demonstranten sollen nach Störpotenzial etikettiert werden: Polizeiliche Farbenlehre

Polizeiführung etikettiert Demonstranten mit drei Farben, um deren "Störerpotenzial" zu erkennen. Die Linke hält dieses Vorgehen für rechtswidrig.

Sind das jetzt Rote, Gelbe - oder doch Grüne? Demo vor dem Vattenfall-Kundenzentrum am Samstag. Bild: dpa

HAMBURG taz | Wenn am Samstag tausende Atomkraftgegner für die Abschaltung der Atommeiler in Hamburg demonstrieren, könnte es für Gesamteinsatzleiter Peter Born ganz schön bunt werden - hoffentlich nicht zu bunt.

Denn nach seiner neuen Farbenlehre - die Teilnehmer nach Farben rot, gelb, grün in Störer-und Gewaltkategorien einzuordnen, bei denen "Mischbezeichnungen unzulässig sind " - müsste Born rot sehen: Als Leiter der Demonstration angemeldet sind Bela Rogalla (Linkspartei), Andreas Blechschmidt (Autonome) und Uwe Zabel (IG Metall). "Ich zähle mich eher zu Roten", scherzt Zabel.

Polizeisprecher Mirko Streiber bestätigt die Existenz eines Einsatzbefehls von Born, den die Hamburger Morgenpost veröffentlichte. Rot sind die Bösen, die Gelben könnten gefährlich sein, so Borns simple Farbenlehre.

Die Grünen seien in der Regel lieb: "Personen, die friedlich und themenbezogen am Einsatzanlass teilnehmen. Von ihnen ausgehende Störungen sind nicht zu erwarten." Lediglich "verbale und bedingt auch physische Aggressionen" könnten vereinzelt auftreten, sie seien aber grundsätzlich dialogbereit.

Die Gelben sieht Born als "Personen, die bei sich bietender Gelegenheit Gewalt als Aktionsform anwenden". Sie ließen sich gern von Aktivisten der Kategorie "Rot" als "Aktionsmasse und als Deckung für gewalttätige Aktionen" missbrauchen. Die "Gelben" neigten zu "unkalkulierten Aktionen".

Die "Roten" klassifiziert Born per se als Krawallmacher. "Personen, die wegen ihrer Akzeptanz von Gewalt als legitimes Protestmittel zur Gewaltanwendung entschlossen sind und versuchen, Ausschreitungen zu initiieren". Protestgründe spielten nur eine untergeordnete Rolle, gewalttätige Auseinandersetzungen hätten Priorität. "Mit jederzeitigen unkalkulierbaren Gewaltaktionen ist zu rechen", so das Einsatzpapier.

Polizeisprecher Streiber verteidigt die Dienstanweisung von Born, dessen Vorgehen bei Demonstrationen schon mehrfach von den Verwaltungsgerichten als rechtswidrig eingestuft worden ist.

Durch die Farben-Etikettierung des "Störerpotenzials" solle "dem Einsatzführer etwas an die Hand gegeben werden und ein einheitlicher Sprachgebrauch eingeführt werden", sagt Streiber. Früher wäre undifferenziert vom "Schwarzen Block" oder "1.000 Teilnehmern, darunter 300 Gewaltbereite" geredet worden.

Die Innenexpertin der Linken Christiane Schneider hält das "Farbenspiel" der Polizei für rechtswidrig . Wenn "Mischbezeichnungen wie rot-grün unzulässig" seien, zeige dies, "dass die Polizei nicht differenziert, sondern politische Feindbilder produziert", sagt Schneider. Das Bundesverfassungsgericht verlange jedoch von der Polizei, bei Demonstrationen das "Deeskalations- und Kooperationsgebot" einzuhalten.

Das Oberverwaltungsgericht hatte zuletzt am 11. Februar die Polizei ermahnt, dass "als Grundlage für Gefahrenprognosen konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich" seien. Schneider fordert den designierten SPD-Innensenator Michael Neumann auf, diese "rechtswidrige Polizeipraxis, die mit Feindbildern operiert, unverzüglich einzustellen".

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