Mobbing auf IShareGossip.com: Öffentlicher Hinterhalt
Auf IShareGossip.com werden Amokläufe angekündigt und SchülerInnen beleidigt - oftmals sind die Opfer eindeutig identifizierbar.
Und wieder ist es IShareGossip.com, das in den Blickpunkt gerät: Jene Internetseite, die ein Forum für "Neuigkeiten, Gerüchte und Lästereien" für Schüler sein will, aber in Wirklichkeit ein öffentlicher Hinterhalt ist. Die Betreiber rühmen sich, ihre Nutzer absolut anonym zu behandeln. Die Botschaft lautet: Hier könnt ihr ruhig die Sau rauslassen! So ist es dann auch.
Unrühmliche Berühmtheit erlangte die Seite, als Nutzer angebliche Amokläufe an ihrer Schule ankündigten. Betroffen waren das Schadow-Gymnasium in Zehlendorf und das Spandauer Hans-Carossa-Gymnasiums - beides glücklicherweise keine ernstzunehmenden Drohungen.
Was aber ernstzunehmen ist: Beinahe täglich tauchen persönliche Diffamierungen eindeutig identifizierbarer Personen auf, teilweise werden auch die Namen genannt. Da steht dann zu lesen, wer "die GRÖSTE schlampe der Schule" sei, wer den "Den gailsten arSch" habe und ob eine Mitschülerin "fett, fett, fett oder fett" sei. Man muss nicht lange suchen, um auf solche Beiträge zu kommen. "Etwas Vergleichbares hat es im deutschen Internet bisher noch nicht gegeben", sagt Margit Rolf von der Mobbing-Zentrale Hamburg. IShareGossip.com ist tatsächlich die Klowand des Internets, nur noch öffentlicher.
Viele Schüler wollen bei solch übler Nachrede nicht tatenlos zusehen. Häufig versuchen Nutzer, mäßigend in die Diskussion einzugreifen und die Mobber zu Fairness und Mäßigung zu überreden. Meist mit geringem Erfolg. Oder sie überschwemmen die Seite, so oft es geht, mit Textfetzen aus Wikipedia-Artikeln.
Was tun, wenn man Opfer geworden ist? "Es ist gut, die Beiträge durch Screenshots zu dokumentieren", sagt Stefanie Kutscher von klicksafe.de, der EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz. Man solle auch die Schule benachrichtigen und darüber reden: mit den Eltern, mit Lehrern und mit Hilfsangeboten wie der Nummer gegen Kummer.
Der Betreiber der Seite, Alexander Liepa, hat sich bisher nur einmal öffentlich geäußert. Der Erfolg des Forums käme in erster Linie dadurch zustande, dass es die Rachegefühle und die Feigheit der Nutzer bediene. Auf die Frage, was er tun würde, wenn jemand wegen IShareGossip.com sich umbringen würde, wusste er kaum etwas zu sagen: "Eine Katastrophe wäre das, absolut katastrophal. Aber so spontan kann ich dazu nichts sagen. Da müsste ich ausführlicher drüber nachdenken."
Ob er inzwischen darüber nachgedacht hat, weiß man nicht. Das Geschäftsmodell hingegen funktioniert: Inzwischen poppt bei erstem Anklicken der Seite eine Werbung für Sex-Webcams auf.
Leser*innenkommentare
Sarah
Gast
Hallo, zur Info, die Diskussion rund um isharegossip nutzte eine Berliner Initative gegen Cyber-Mobbing und gründete die Seite http://www.ihategossip.org/
Tobias Claren
Gast
@halbe Wissenslücke
"Ich meine, gelesen zu haben, dass das in Deutschland zum Pflichtprogramm gehört, um so Personen identifizieren zu können, die strafrechtlich relevante Dinge im Netz treiben, seien es nun illegale Downloads, Verleumdungen, Volksverhetzungen oder was auch immer."
Genau das Gegenteil ist der Fall (erst recht nicht in Deutschland). Es ist Webseitenbetreibern UND den Internetprovidern unter Strafe verboten IPs zu loggen.
Ein "erwischter Täter" kann auch wenn er verurteilt wird den Webseiten betreiber UND den Internetprovider erfolgreich verklagen.
So schon geschehen, Holger Voss gegen die Telekom.
Seitdem gibt die Telekom auch bei angekündigtem Suizid keine Daten raus. Und auch wenn einer stirbt ( http://www.telespiegel.de/news/10/0103-telekom-selbstmord-forum.html ), das ist richtig so.
ooops
Gast
Wenn Opfer, Medien etc. diese Seite ignorieren, sind
die gehässigen irgendwann unter sich. Dann ist es mit dem Interesse bald vorbei. Sinkende Werbeeinnahmen nur Kosten und Schluss.
Die "Follower" machen den Teufel stark....
kleinere Wissenslücken dürfen bleiben...
Gast
Frederic Valin:
Danke. Ich habe vorhin mit einem Experten für derlei Angelegenheiten gesprochen. Er meint, es sei so gut wie unmöglich, über die IP-Adressen an die "Verursacher" zu kommen, wenn der Server im Ausland gehostet wird. Was natürlich auch ein Grund dafür ist, dass viele fragwürdige Websites im Ausland (wie z.B. gern auch der Schweiz) gehostet werden.
Wenn es um z.B. die Nutzung von Tauschbörsen geht, funktioniert alles noch mal ganz anders. Meist sind entsprechende Anwälte, etc... selbst in diesen Tauschbörsen aktiv und können so herausfinden, von welcher IP-Adresse sie selbst Datenpakete bezogen haben und verlangen dann von den Providern "Akteneinsicht". Die rechtliche Lage hat sich aber wohl geändert, so dass dieses Vorgehen nicht mehr so einfach möglich ist.
Ich meine, nun ansatzweise verstanden zu haben, aber wie gesagt - nur ansatzweise. Es sind doch recht komplexe Zusammenhänge.
Auf jeden Fall ein echt spannendes Thema! Wenigstens war dieser IshareGossip-Müll jetzt endlich der Anlass für mich, ein wenig nachzuforschen. Um wirklich verstehen zu können, müsste man sich allerdings wirklich tiefgreifend mit der Materie auseinandersetzen.
Vielleicht wäre das mal eine Recherche wert? Ich kann mir gut vorstellen, dass nicht nur ich mich über umfängliche und fundierte Informationen zu dem Thema in der taz sehr freuen würde.
Frederic Valin
Gast
@halbe Wissenslücke
Müsste ich mich jetzt auch genauer reinlesen. In Schweden (da liegt der Hoster der Seite, also ist die schwedische Staatsanwaltschaft zuständig) meine ich ist es nicht üblich, die IP-Adressen zu speichern. Eine Vorratsdatenspeicherung gibt es (glaube ich) in Schweden nicht.
halbe Wissenslücke
Gast
Frederic Valin: Herzlichen Dank!
So müßte sich also jetzt die lettische Justiz um diese Website kümmern...
Wissen Sie zufällig auch, wie es mit dem Mitloggen von IP-Adressen aussieht? Ich meine, gelesen zu haben, dass das in Deutschland zum Pflichtprogramm gehört, um so Personen identifizieren zu können, die strafrechtlich relevante Dinge im Netz treiben, seien es nun illegale Downloads, Verleumdungen, Volksverhetzungen oder was auch immer.
Ich habe gestern mal auf diese wirklich ekelhafte Website geguckt (grusel), dort wird gerade heiß diskutiert, wie es hinsichtlich Anonymität aussieht... das habe ich mich dann auch gefragt.
suswe
Gast
@stimmviech: Glauben Sie ernsthaft, dass in der Privatschule alles besser ist/war? Dann lesen Sie doch mal das Buch vom " jungen Törless" von Robert Musil.
deepfield
Gast
Teilweise typische Reaktion, die zudem noch falsch ist und von Ahnungslosigkeit zeugt, ist es nach Abschalten der Seite und juristischen (lol!) Mitteln zu rufen. Das eigentliche Problem wird hierbei nur verlagert bzw. unter den Teppich gekehrt. Wer sich halbwegs mit dem Internet auskennt weiss, dass es mehrere solcher Seiten gibt und bei Abschaltung sofort wieder woanders neue entstehen. Der Mensch sucht sich sofort neue Plattformen für seine Gehässigkeiten. Das ist ein Teil seiner Natur.
Frederic Valin
Gast
@Wissenslücke Ich hab die uristischen Möglichkeiten hier mal nachgezeichnet: http://www.taz.de/1/netz/netzkultur/artikel/1/share-dich-zum-teufel/
Wissenslücke
Gast
Ich hatte das gestern schon angefragt, ist aus meiner Sicht eine interessante Frage:
Im Impressum dieser Seite ist eine Firma aus Riga als Betreiber ausgewiesen.
Sollte das tatsächlich der Fall sein, ist es dann juristisch gesehen überhaupt möglich, die Seite abzuschalten?
Außerdem wird dort heiß diskutiert, wie es mit der Speicherung von IP-Adressen aussieht, über die letzlich herausgefunden werden kann, wer entsprechende Einträge verfasst hat. Müssen IP-Adressen mitgeloggt werden? Wenn ja, nur in Deutschland?
Wäre sehr nett, wenn jemand hierzu etwas weiß.
@ Redaktion: vielleicht mal recherchieren?
Franz
Gast
@stimmviech
Es gibt keine menschliche Natur.
Wir sind die einzige Spezies auf diesem Planeten, die im Stande ist sich in gewissen Grenzen selbst zu definieren.
Diese Webseite dokumentiert also keine Gewaltneigung des Menschen, sondern sie zeigt auf in was für einer Gesellschaft wir leben.
Hier wird aus jedem guten Menschen ein Raubtier das immer das beste, schönste, stärkste, klügste sein muss.
Und Sie und ihre lächerliche Elite sind die Schaumkrone dieser abstoßenden Kloake; die vom Glück begünstigte Scheiße, die oben schwimmen darf und doch am meisten stinkt.
Inna
Gast
Ich bin froh das ich nicht mehr zur Schule gehe, einfach traurig was da mittlerweile abgeht.
Die Täter werden ehe ungestraft bleiben, schlechte Kindheit, die Kultur, irgendwas wird sich schon finden.
stimmviech
Gast
Die Webseite dokumentiert die Gewaltneigung des Menschen und zeigt auf, daß alle kulturellen Bemühungen um " Frieden" völlig sinnlos sind.Die Erfahrung mit dieser Webseite ist ein Grund mehr, als Teil einer kleinen Elite das eigene Kind in eine Privatschule zu schicken und ihm damit ein Leben jenseits des Pöbelelends zu ermöglichen. Den Rest der Menschheit mag sein verdientes Schicksal in Elend und Gewalt ereilen.