Streit der Woche zum Medienkongress: Schafft das Internet Freiheit?

Revolution, Demokratie, Utopie – dem Internet wird viel zugetraut. Doch genutzt wird es oft nur zum Shoppen, Gaffen und Lästern. Und manchen macht es Angst.

Was sind wir ohne Google? Bild: reuters

Am Anfang war es bloß das Nebenprodukt eines militärischen Forschungsvorhabens, ein Freak-Projekt des US-Verteidigungsministeriums. Heute ist es ein gigantisches Paralleluniversum, ein gnadenloser Moloch, aber auch ein Schlupfwinkel.

Das Internet hat viele Seiten. Sie bilden ab, was immer wir suchen: Nachrichten, Unterhaltung, Klatsch und Tratsch, einen Stadtplan, unseren Kontostand. Wir arbeiten dort, machen dort Pause und treffen unsere Freunde. Wenn es kein Wlan gibt, kriegen wir Angst.

Ohne Facebook verlieren wir unsere Kontakte, ohne Google Maps wissen wir nicht, wohin. Merken können wir uns sowieso nichts – steht ja alles im Internet! Wie abhängig wir von unserem Lieblingsinstrument sind, realisieren wir erst, wenn es ausfällt.

Genau hier liegt die Gefahr, findet Rainer Kreuzer, Journalist aus Hamburg. Das Internet und sein Schnickschnack, die ganzen Pseudogüter und Fantasiedienstleistungen, lenken uns ab von den großen, überlebensnotwendigen Fragen – so kommentierte er vor kurzem die Atomkatastrophe in Japan.

Aber ist es nicht so, dass das Internet uns auch eine Teilhabe ermöglicht, die vor ein paar Jahren – selbst zu Zeiten des Modems – noch unvorstellbar war? Wissen wir nicht heute mehr über Japan? Über die arabischen Länder?

"Like!"

In Orten, deren Namen wir früher kaum aussprechen konnten, haben wir heute Freunde, deren Blogs wir lesen. Wir kennen die Ergebnisse von Präsidentschaftswahlen in Kasachstan, wir wissen, ob in New York die Sonne scheint und kaufen Kopfhörer in Stockholm. Und wenn uns was gefällt, dann schreiben wir: like!

Doch nichts verfolgen wir mit so viel Eifer, aber auch Mitgefühl, wie Revolutionen. Wir sind für das Volk! Für die Demokratie! Für die Pressefreiheit! Aber was, wenn das Internet die Presse nicht befreit, sondern zerstört, weil es bisher keine wirkliche Einnahmequelle ist? Muss man es dann zähmen?

Und was ist mit Eltern, die sich Sorgen, weil das Internet alles bietet – auch Kindern? Die sich sorgen wegen Pornografie, Geballere und Abzockfallen. Weil ihre Kinder zu viel preisgeben könnten – was sich dann bei irgendeinem Bewerbungsgespräch rächt.

Wir feiern das Internet, wenn es hilft, repressive Herrscher auszutricksen, aber wir ärgern uns, wenn wir selbst ihm zu sehr vertrauen. Wir wollen Schutz vor Betrügern, vor Lästermäulern, vor uns selbst: Das Internet soll auch vergessen können, dass wir uns letzten Samstag daneben benommen haben.

Noch tut das Netz uns diesen Gefallen nicht. Es ist grenzenlos und anonym, es lauert und lockt – surfen müssen wir immer auf eigene Gefahr. Ist das eine Bedrohung? Oder eine Chance?

Was meinen Sie: Schafft das Internet Freiheit?

Schreiben Sie uns auch an streit@taz.de oder besuchen Sie uns auf facebook.com/sonntaz

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.