Zug um Zug weniger Geld

Die schwarz-roten Sparpläne für Bus und Bahn sorgen für Empörung. Oder können weniger Zuschüsse ein besseres Angebot schaffen?, fragt ein Verbraucherschützer

BERLIN taz ■ Millionen Berufspendler müssten mit höheren Fahrpreisen rechnen, drohten Verkehrsunternehmen. 6.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr, warnte die Bahngewerkschaft. Und der rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident Kurt Beck kündigte „erbitterten Widerstand“ an. Die Aufregung war gestern groß: Die Bundesregierung, so war bekannt geworden, will die Zuschüsse für den Nahverkehr kappen. Verschiedene Zahlen kursierten. Mal ging es um 2,1, mal um 3,1 Milliarden Euro, die bis 2009 gespart werden sollen. Mittags bemühte sich das Bundesverkehrsministerium um Beruhigung. Sprecher Michael Marten erklärte: „Es gibt keine konkreten Zahlen.“ Er verwies auf den Koalitionsvertrag.

Dort sind die Aussagen allerdings widersprüchlich. Schwarz-Rot werde den Nahverkehr „mit einem ausreichenden Finanzierungsbeitrag auf hohem Niveau halten“, heißt es auf Seite 47. Zwanzig Seiten später aber steht: „Korrekturen bei den Regionalisierungsmitteln“ stünden an.

Noch überweist der Bund jedes Jahr 7,1 Milliarden Euro an die Länder – damit Busse, Regionalzüge und S-Bahnen fahren. Das wurde 1994 im Zuge der Bahnreform verabredet. Zuvor waren westdeutsche Bundesbahn und ostdeutsche Reichsbahn fusioniert. Der Eisenbahnverkehr, so befand die damalige Regierung, ließe sich fortan nicht mehr mit einem Staatsunternehmen steuern. Die Länder übernahmen die Verantwortung für den Regionalverkehr und forderten dafür das Staatsgeld. Das Modell wird 2007 ohnehin überprüft – unabhängig davon, ob sich Bund und Länder auf die kurzfristigen Sparziele einigen.

Die meisten Länder zeigten sich gestern verhalten. Den Sinn der Förderung stellt dabei kaum jemand in Frage: Menschen auf dem Lande sollen die Stadt mit Bus und Bahn erreichen können. Ohne staatliche Zuschüsse würde aber so gut wie kein Zug fahren. Maximal 40 Prozent der Kosten sind über das Bahnticket gedeckt, erklärt Otmar Lell vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Er sagt jedoch: „Man kann nicht jede Streichung verhindern.“ Der Nahverkehr könne dafür effizienter werden.

Immer mal wieder verschwindet in den Landeshaushalten Geld, das für den Bahnverkehr bestimmt ist. Das größere Problem aus Sicht von Lell aber ist: Die günstigsten Bahnunternehmen, wenngleich mit gutem Service, kommen nicht zum Zug. In der Regel vergeben die Länder den Auftrag direkt an die Deutsche Bahn AG. Sie betreibt 90 Prozent der Regionalzüge und S-Bahnen und heimst so den größten Batzen der Regionalisierungsmittel ein. Kein Wunder, dass der Nahverkehr die rentabelste Sparte des bislang staatseigenen Konzerns ist. Werden die Mittel gekürzt, suchen die Länder die Auftragnehmer genauer aus.

Heidi Tischmann vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht die Entwicklung allerdings weniger optimistisch: „Wettbewerb ist kein Allheilmittel.“ Für sie steht fest, dass der Nahverkehr „teurer und schlechter wird“. Wer die Mittel um zehn Prozent kürzt, schränke das Angebot um 20 Prozent ein. Loks und Schienen bleiben gleich teuer – egal wie stark sie genutzt werden. HANNA GERSMANN