Kann das weg?

DEBATTE Das Hermes-Hochhaus in Bahrenfeld ist das höchste Gebäude in der direkten Umgebung – und umstritten. Jetzt überlegt der Eigentümer, was mit dem Bau aus dem Jahr 1981 geschehen soll. Auch der Abriss ist eine Option. Wäre das eine gute Entscheidung? Ein Pro und Contra

JA

Es soll Leute geben, die finden das Hermes-Hochhaus im Bezirk Altona schön. Vielleicht wegen seines blendenden Weiß’ oder auch wegen seiner eigenwilligen Form, die bewirkt, dass es sich von der Schmalseite betrachtet wegzubiegen scheint. Diese Leute kennen das Hermes-Hochhaus wahrscheinlich nur von Fotos.

In dem Stadtteil, in dem es steht, ist das Hochhaus vor allem ein riesiger Sichtriegel. Es ist nicht nur viel höher als jedes anderes Gebäude in seiner Umgebung, sondern es ist auch unglaublich breit. Wer das Pech hat und das sind in der Nachbarschaft die meisten, vor oder hinter der Längsseite zu wohnen, sieht nur das Hochhaus. Sonst nichts. Und weil es so hoch ist, gilt das auch noch in einem Kilometer Entfernung.

Hochhaus-Solitäre sind immer schwierig zu bauen, bei diesem ist die Integration jedoch komplett misslungen. Eine Möglichkeit, das zu ändern, wäre: noch mehr Hochhäuser bauen. Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht, falls man es hinkriegen würde, dass nicht nur die ärmere Bevölkerung einzieht und der Komplex eines der üblichen Ghettos wird.

Weil solche Pläne aber gar nicht zur Diskussion stehen, hilft nur der Abriss. Ein Neubau muss nicht die Garten-Architektur der Siedlung fortsetzen, die jetzt im Schatten hinter dem Hochhaus liegt. Er dürfte auch ruhig höher sein als die Nachbarhäuser auf der vorderen Seite, Hamburg braucht schließlich Wohnungen. Die Architekten müssen aber über die Grundstücksgrenzen schauen. Noch mal so ein Monstrum braucht niemand.  DANIEL WIESE

NEIN

Das Euler-Hermes-Hochhaus in Bahrenfeld ist eine Überraschung. Man rechnet nicht mit einem solchen Ding, dort wo die Stadt zur Autobahn hin ausläuft. Das weiße Gebäude ist weithin sichtbar, sichtbarer als die Asklepios-Klinik ein Stück weiter südlich. Was an dieser Stelle ein Hochhaus?

Bei der Antwort muss man einen Blick auf ganz Hamburg richten. Über die Stadt verteilt stehen Hochhäuser als Landmarken, die Orientierung bieten und den Blick lenken: Am prägendsten sind wohl der Turm des Radisson-Hotels am Dammtor und die drei Mundsburg-Hochhäuser in der Hamburger Straße.

Das Hermes-Hochhaus gehört zu den sichtbarsten und es hat das verdient. Es ist eine große Skulptur mit einer klaren und originellen Idee – vergleichbar mit dem alten Unileverhaus neben der Musikhalle, wo sich drei Flügel an ein gleichseitiges Dreieck anlehnen.

Der Architekt Titus Felixmüller hat zwei Kreissegmente parallel zueinander aufgestellt. An der Stelle, wo sie sich überlappen, sind sie mit einem Keil verbunden, der seine Basis in einem breiteren Keil findet. Der Bau hat 23 Stockwerke und eine riesige, gleichmäßig gerasterte Fassadenfläche. Trotzdem wirkt er leicht und ermüdet den Blick nicht. Das einzige, was befremdet, ist diese dreistöckige Basis mit ihrer düsteren Sichtbeton-Verblendung.

Kurzum: Das Hermes-Gebäude ist eines der schönsten und überzeugendsten Hochhäuser der Stadt. Es abzureißen, um ein paar mehr Wohnungen zu bauen oder Kröten zu verdienen, wäre kleinkariert.  GERNOT KNÖDLER