Kunstknut fehlen die Fans

KULT Ziemlich tot und irgendwie traurig: ein Besuch beim ausgestopften Knut im Naturkundemuseum

Die Augen sind aus Glas. Und sowieso ist alles ziemlich tot. Kalt und still ist es im Vorraum des Naturkundemuseums, nur das Flüstern des Wachpersonals stört. Hinter Glasscheiben – so war er es ja gewohnt – steht Eisbär Knut oder das, was von ihm übrig blieb: hellgelbes Fell. Das wurde auf einen Hohlkörper geklebt, vernäht, gekämmt. Nase und Lippen erhielten einen neuen Anstrich. Die bezogene Plastik trägt also Make-up. Dieser Kunstknut ist nicht Knut: Letzterer ertrank im März 2011.

Ein Räuspern. Kunstknut rührt sich nicht. Heinz Uelzen, Rentner aus Marzahn, nähert sich dem Glaskasten. „Hatte sonst nichts vor“, nuschelt er. Den Eisbären kennt er „noch von damals, als Knut ein Baby war“. Eigentlich geht Uelzen nicht oft weg, schon gar nicht in Zoos. Doch damals waren die Enkelkinder zu Besuch, und denen musste er etwas bieten. Den Fernsehturm kannten sie schon, da kam Knut gerade recht.

Auch Kunstknut ziehe die Menschen an, versichert Gesine Steiner vom Naturkundemuseum. „5.000 Besucher gab es am ersten Wochenende. Das waren doppelt so viele wie an einem normalen Tag.“ Doch die nicht vorhandenen Menschenmassen vor den Glasscheiben beweisen: Kunstknut fehlen Fans. Kritiker aber gibt es reichlich. Peter Höffken von Peta Deutschland schimpft über die „ausbeuterische Vermarktung Knuts, die auch nach seinem Ableben ununterbrochen weitergeht“.

Auftritt Tübinger Kleinfamilie. „Borr, ist der dünn. Guck mal die langen Fingernägel“, zeigt die siebenjährige Luisa. Ihr Bruder schlaumeiert: „Krallen heißt das. Papa, mach mal Foto!“

Rentner Uelzen steht derweil vor einer Wand mit neonfarbenen Zetteln. Darauf konnten Besucher ihre Eindrücke notieren. „Knut tut gut“, „So ist das Leben“ und „Ich war hier“ steht da geschrieben. „Solche Sprüche findet man auf jeder öffentlichen Toilette“, seufzt Uelzen laut. Das Wachpersonal schaut herüber. Nur Kunstknut ist das alles egal. Scheißegal. ANNE JULIANE WIRTH