Greenpeace zitiert internen Bericht: Biblis-Störfall nach Jahresrevision

Das "Herzstück des Atomreaktors" in Biblis A wurde im Oktober 2010 beschädigt, sagt der Greenpeace-Physiker Smital. RWE und die Aufsichtsbehörde wiegeln ab.

AKW Biblis, mit kleiner Atom-Sonnen-Fahne zum Suchen. Bild: reuters

FRANKFURT/M. taz | Haben die Betreiber des Atomkraftwerks Biblis A im Oktober 2010 einen gravierenden Störfall verschwiegen? Das jedenfalls behauptet jetzt Greenpeace nach der Sichtung interner Protokolle aus dem AKW, die der Umweltschutzorganisation von einem Mitarbeiter dort "zugespielt" worden seien.

Aus dem für die Atomaufsicht in Hessen zuständigen Umweltministerium, das von Lucia Puttrich (CDU) geleitet wird, war dagegen zu hören, dass es sich bei dem Vorfall um ein "nicht meldepflichtiges Ereignis ohne sicherheitstechnische Bedeutung" gehandelt habe. Und dass "zu keiner Zeit eine Gefährdung des Personals oder der Umgebung" bestanden habe. Auch die Betreibergesellschaft RWE Power AG weist die Anschuldigungen zurück. Sie seien nur "ein weiterer untauglicher Versuch, das Kernkraftwerk Biblis zu diskreditieren".

Laut Greenpeace wurde beim Anfahren des Reaktors nach der Jahresrevision 2010 eine Dichtung am Reaktordruckbehälter beschädigt, was zu einem hohen Druck in der Doppelringdichtung führte. Diese soll den Reaktordruckbehälter zusätzlich sichern. Nur die "äußere Deckeldichtung" des 37 Jahre alten Reaktors habe eine Leckage verhindert, heißt es in der Erklärung, die Greenpeace am Dienstag veröffentlichte.

Heinz Smital: "Herzstück des Atomreaktors"

"Der Reaktordruckbehälter ist das Herzstück des Atomreaktors", sagte dazu Heinz Smital, Atomphysiker der Organisation. Ein plötzliches Versagen des Reaktordruckbehälters könne zu radioaktivem Dampf im Sicherheitsbehälter führen.

Der "unter den Teppich gekehrte" Störfall sei nun ein Grund mehr, die Altmeiler in Biblis endgültig stillzulegen, sagt dazu der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für Atomenergie-Politik, Norbert Schmitt. Auch die Grünen verlangen, dass die aufgrund der von der Bundesregierung beschlossenen Stresstests heruntergefahrenen Blöcke A und B nicht wieder ans Netz gehen dürften. Und die Linke erinnert daran, dass Kraftwerksbetreiber RWE immer wieder Pannen und Störfälle "zu spät gemeldet oder versucht hat, sie zu bagatellisieren oder gleich ganz zu verschweigen". Die angeblich auch ausstiegswillige hessische Union dagegen spricht wie RWE von "politisch motivierter Panikmache" und "parteipolitischen Spielchen mit den Ängsten der Menschen".

Tatsache ist, dass RWE schon einmal einen gravierenden Störfall auch in Block A des AKW Biblis mehr als zwei Jahre lang vertuscht hat. Das Problem führte beinahe zu einem Super-GAU. Erst durch die Recherche eines US-Wissenschaftsmagazins kam 1987 - ein Jahr nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl - die Wahrheit ans Licht. Wegen eines defekten Ventils war Kühlwasser ausgetreten. Nur mit Glück konnte das Kontrollventil noch geschlossen und damit der Verlust noch größerer Mengen Kühlmittel vermieden werden. Ansonsten wäre es wohl zur Kernschmelze gekommen.

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