Bildung: Die Hexe pflanzt eine Blume

Mit einem Grundwortschatz für Erst- bis Viertklässler sollen Grundschulen ab dem nächsten Schuljahr arbeiten. Fachleute halten die 700-Wörter-Sammlung allerdings für wenig nützlich.

Wie viele Wörter braucht man zur Verständigung, welche sollen das sein und wie lernen Kinder sie am besten? Daran scheiden sich die Geister. Bild: dpa

Die Hexe pflanzt eine Blume. Pflücken kann sie sie am Ende der vierten Klasse aber noch nicht. Denn im Unterschied zu den anderen Wörtern in diesen zwei Sätzen steht das Verb "pflücken" nicht auf der Liste, mit der die Senatsverwaltung für Bildung den Grundwortschatz für Erst- bis ViertklässlerInnen definiert. Der umfasst 100 häufig gebrauchte Artikel, Personalpronomen oder Präpositionen und jeweils 300 Wörter, die in der 1. und 2. sowie 3. und 4. Klasse gelernt werden sollen.

Für die Kleinen gehören dazu etwa "lieb", "fliegen", "Sekunde" und "Hose", für die Größeren wiegen, "bequem", "Entwicklung" oder "Programm". Der Kanon entspricht dem, mit dem Brandenburger Grundschulen bereits seit Beginn 2011 arbeiten, und der sich wiederum an den bayerischen Grundwortschatz anlehnt, der dort seit 1981 an Grundschulen verwendet wird.

Nicht "Korsett", sondern "Substanz" soll der Grundwortschatz sein, sagt Birgit Kölle, Schulrätin in der Fachaufsicht Deutsch bei der Senatsbildungsverwaltung: "Man weiß, dass Kinder eigentlich mit einem Wortschatz von 3.000 bis 5.000 Wörtern in die Schule kommen." Der geplante Grundwortschatz sei insofern ein "bescheidenes Herangehen", so Kölle: "Doch wenn Kinder über diesen Wortschatz souverän verfügen, können sie auch andere Situationen beschreiben und so weitere Wörter lernen." Der Grundwortschatz sei somit ein "verlässlicher Grundbaustein" - Wörter wie "pflücken" kämen im Kontext dazu.

Zu Beginn des nächsten Schuljahres soll die Liste nicht nur an Grundschullehrkräfte, sondern auch an Eltern ausgegeben werden - als Teil des Qualitätspakets, mit dem Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) die Ergebnisse Berliner SchülerInnen in Lern-Vergleichstests verbessern will. Denn die lassen, insbesondere bei Kindern aus armen Familien, zu wünschen übrig.

Doch bei den Grundschullehrkräften gerade aus sozialen Brennpunkten findet der Plan kaum Anklang. Gerade bei Kindern bis zur dritten und vierten Klasse sei Lernen "sehr situativ geprägt", sagt etwa Jürgen Schule, Lehrer und Sprecher der Initiative "Grundschulen in sozialen Brennpunkten". Wörter eines Grundwortschatzes müssten Teil eines solchen Lernprozesses sein, und deshalb "schul- oder sogar lerngruppenorientiert entwickelt werden", so Schulte: Pauschale Vorgaben seien "wenig sinnvoll, weil wenig fördernd."

Auch die Leiterin der auf interkulturelle Bildung ausgerichteten Ina-Kindergärten, Gerda Wünschel, hält den Grundwortschatz nicht für nützlich: "Kinder ,begreifen' Worte tatsächlich aus bestimmten Situationen heraus. Sie lernen in sprachanregenden, mit ihrer Lebenswelt verbundenen Situationen." Feste Wortschatz-Listen hülfen dabei nicht. Zudem stünden viele Wörter auf der Grundschulliste, "die bereits im Wortschatz von Kitakindern selbstverständlich sind", so Kitachefin Wünschel.

Sie darf gespannt sein: Im nächsten Jahr will der Bildungssenator eine weitere Grundwortschatzliste veröffentlichen - für Kitakinder.

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