Buchtipp

Landschaft von oben

„Kultivierte Erde“, so schlicht der Titel des Bildbandes von Olivier Lasserre klingt – es verbirgt sich dahinter ökologischer Sprengstoff: In den vergangenen zwei Jahren fotografierte der Schweizer Agrarflächen aus der Luft. Wunderbare, prächtige, detailgenaue Farbaufnahmen abstrakter Strukturen der modernen Agrarwirtschaft.

Lässt man auf einer Zugfahrt seinen Blick über die Landschaft schweifen, sieht man, dass weite Flächen des Landes wirtschaftlich genutzt werden. Einen abstrakten, aber auch genauen Blick auf dieses Phänomen liefern die Luftaufnahmen von Olivier Lasserre. Nicht die Natur ist sein Thema, sondern die Kulturlandschaft – von Menschen geformter Wirtschaftsraum. Lasserre, Landschaftsarchitekt und Fotograf aus Lausanne, weiß um die ökologische Problematik der monokulturell organisierten Landschaftsnutzung, was ihn nicht daran hindert, Bilder verblüffender Schönheit zu schaffen. Lasserre fotografiert senkrecht aus einem Hubschrauber – sodass nicht die Pflanzen selbst im Mittelpunkt stehen, sondern das Raster des Angebauten.

Es ist nicht entscheidend, ob er Olivenhaine, Weizenfelder, Gemüsebeete, Obstplantagen oder Weinberge fotografiert; für ihn zählen alleine Formen und Farben. Doch es ist nicht nur Faszination, mit der Lasserre seinen Sujets begegnet. Bei einigen Arbeiten wird kritischer Geist spürbar. Wenn er selbst sagt, er interessiere sich vor allem für die Veränderungen des Landschaftsbilds, dann klingen jene Klagen durch, die von Ökologen schon seit Jahrzehnten vorgebracht werden.

Denn so schön die Aufnahmen auch sind – sie sind vor allem fotografisches Dokument der profitorientierten Nutzbarmachung des Bodens, in der Erosion, Versiegelung, Flächenverlust, Vergiftung oder Überdüngung an der Tagesordnung sind.

Die Herrschaft des Menschen über die Natur, ihre großflächige Bezwingung ist das innere Thema dieser mathematisch anmutenden, abstrakten Muster und Strukturen.

„Die entstandenen Bilder drücken das aus, was ich suche: die Rationalität der landwirtschaftlichen Arbeit, die mechanische und sich wiederholende Präzision der parallelen Linien“, sagt Lasserre. Blickt man aus dem Zugfenster, dann sieht man Pflanzen. Aus einem Hubschrauber gesehen, ist die Landschaft ein kaum überschaubares Wirtschaftssystem. MARC PESCHKE

Olivier Lasserre: „Kultivierte Erde. Kulturlandschaften aus der Luft fotografiert“. RvR-Verlag, Kehl am Rhein 2005, 192 Seiten, 27 x 36 cm, gebunden, Schutzumschlag, über 200 Fotografien, 49 €