100-Tage-Bilanz: Nicht immer ordentlich regiert

An diesem Freitag ist der SPD-Senat seit 100 Tagen im Amt. Zeit für eine erste Bilanz seiner bisherigen Leistungen und, zum Beginn der großen Ferien, ein paar Noten.

Nicht alle haben nach 100 Tagen so einen guten Eindruck gemacht wie hier beim SPD-Parteitag: Die Senatorenriege des Olaf Scholz (5. v. l.). Bild: dpa

Jutta Blankau (SPD): Blass, blasser, Blankau - in ihren ersten 100 Tagen erwies sich die langjährige Gewerkschaftlerin im Amt der Umweltsenatorin als Fehlbesetzung. Sie demontierte schwarz-grüne Öko-Projekte, brachte die Naturschutzverbände gegen sich auf, setzte bislang aber keinen eigenen Akzent für die Umwelthauptstadt.

Beim Thema Wohnen verzettelte sie sich erst in einer unfruchtbaren Diskussion über Wohnungsnot, bevor sie sich ihrem Hauptjob widmete: dem Wohnungsbau. Note: Mangelhaft.

Frank Horch (parteilos): Der ehemalige Handelskammerpräses verkörpert den Typ des klassischen, ganz auf die Hafenwirtschaft fokussierten Wirtschaftssenators. Ob Elbvertiefung oder Straßenverkehr: Horch fiel hauptsächlich durch Ankündigungen auf. Bei City-Maut und Umweltzone musste er sich vom Bürgermeister zurückpfeifen lassen, auch andere Verkehrsprojekte wie die Stadtbahn, Kreisverkehre und Shared Space wurden beerdigt. So verdient sich der Senator des Stillstands noch gerade ein knappes Ausreichend.

Barbara Kissler (parteilos): Die Kultursenatorin überzeugt durch souveränes, professionelles und engagiertes Auftreten - man traut ihr zu, die Stadt wieder in einen fruchtbaren Dialog mit der Kunst und ihren Protagoniosten zu bringen, die Kulturmetropole in ihrer Vielfalt und Strahlkraft zu stärken. Dass ihr Haushalt aufgestockt wurde, macht es ihr leichter. Trotzdem lautet das erste Fazit: Nicht nur ordendlich, sondern gut regiert.

Michael Neumann (SPD): Der Innensenator balanciert zwischen Hardliner-Strategie und Liberalität - wie fast alle seine SPD-Amtsvorgänger. Er riegelte die halbe Stadt ab, um sich als Verhinderer größerer Mai-Krawalle im Schanzenviertel feiern zu lassen, schickte bei den Studentenprotesten erst Hundertschaften vor, um sie dann persönlich zurück zu pfeifen. Die Legalisierung von Bauwagenplätzen oder ein Abschiebestopp für Roma sind mit Neumann nicht zu machen, den Konflikt um die Rote Flora versucht er geräuschlos zu lösen. Mehr kann man von einem SPD-Innensenator nicht erwarten - befriedigend.

Cornelia Prüfer-Storks (SPD): Kaum im Amt, musste die Gesundheitssenatorin schon die erste Großkrise namens Ehec meistern - und tat das unaufgeregt, kompetent und nahezu fehlerfrei. Die gelernte Journalistin und ehemalige AOK-Vorständlerin legte so gleich zu Beginn ihre Meisterprüfung ab und verdiente sich als 100-Tage-Note ein vollmundiges: gut.

Ties Rabe (SPD): Lange hat kein Schulsenator einen so gemütlichen Start gehabt: Der Primarschul-Streit ist ausgefochten, die Strukturdebatte tot. Stattdessen muss er von Schwarz-Grün beschlossene Reformen umsetzen und Altlasten aufarbeiten.

Rabe neigt zum Pragmatismus, wird kaum als großer Reformer in die Chronik eingehen. Entscheidungen wie die Wiedereinführung benoteter Diktate in der Grundschule zeigen, dass Rabe auch mal gegen wissenschaftlichen Rat aus dem Handgelenk entscheidet. Gesamtnote: befriedigend bis ausreichend - oder im Zeugnissprech: Das kannst du bestimmt noch besser, Ties!

Detlef Scheele (SPD): Begann seine Amtszeit mit einem wahnwitzigen Zickzackkurs zum Thema Ein-Euro-Jobs, mit der er die Träger nachhaltig verunsicherte. Noch immer droht, dass der Sozialsenator sich als Totengräber sinnvoller Sozialprojekte profiliert. Konzepte sind hier nicht erkennbar. Zu zentralen Themen wie Einwanderung, soziale Integration und Spaltung ist von Scheele nichts zu vernehmen. Bislang: mangelhaft

Jana Schiedek (SPD): Kein Traumstart: Die Justizsenatorin wurde erst von Olaf Scholz zurückgepfiffen, als sie sich zum Beamten-Weihnachtsgeld äußerte, bekam dann einen auf den Deckel, als sie bei einem Interview Fragen einfach strich. Außer einer passablen Bürgerschaftsrede hat man vom jüngsten Senatsmitglied bislang nur vernommen, dass die gerade erst eingerichtete "Arbeitsstelle Vielfalt" quasi aufgelöst wird. Zwischennote: knapp ausreichend.

Dorothee Stapelfeld (SPD): Die Wissenschaftssenatorin erwischte einen miesen Start: In der Opposition hatte sie Sparpläne an den Hochschulen kritisiert, nun muss sie diese noch verschärfen. Es gelang ihr weder, im Senat genügend Mittel für die Hochschulen einzuwerben noch die Hochschulpräsidenten in einen konstruktiven Dialog einzubinden. Stattdessen hagelt es Proteste und Demos.

Während der Ruf der SPD als Bildungspartei abschmiert, läuft ihr jetzt auch noch UKE-Chef Debatin davon. All das: völlig ungenügend.

Peter Tschentscher (SPD): Visionär geht anders, aber als oberster Buchhalter und Sparkommisar hat Tschentscher sich in seinen ersten 100 Tagen als Finanzsenator einen soliden Ruf erworben. Seine statischen Haushaltsprognosen haben wenig mit kreativer Gestaltung zu tun, doch aufgrund unerwartet hoher Steuereinnahmen hat Tschentscher bei seinem Konsolidierungskurs immerhin eine Handbreit Wasser unterm Kiel.

Sein Auftritt ist hanseatisch-souverän, seine Leistung auch aufgrund der vorgefundenen Haushalts-Baustellen: befriedigend.

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