Proteste in Weissrussland: Klatschen unerwünscht

Bei Kundgebungen gegen die Regierung in Minsk am Rande des Nationalfeiertages geht die Polizei brutal gegen Demonstranten vor. Über 100 Personen werden festgenommen.

Draufhauen um jeden Preis: Polizeieinsatz gegen Demonstranten am Sonntag in Minsk. Bild: reuters

BERLIN taz | Das brutale Vorgehen des weißrussischen autoritären Regimes gegen Oppositionelle hat am vergangenen Sonntag in der Hauptstadt Minsk einen neuen Höhepunkt erreicht: Auslöser der Gewalt- und Verhaftungsorgie waren Protestkundgebungen hunderter Bürger, die ihrem Unmut über die politische und wirtschatliche Situation mit heftigem Klatschen Luft machten.

Zu der Aktion "Revolution durch soziale Netzwerke" aus Anlass von Feierlichkeiten zum Jahrestag des Endes der Nazi-Herrschaft hatte die Opposition per Internet aufgerufen. Mehrere ihrer Webseiten waren am Sonntag zweitweise gesperrt und der Mobilfunkempfang unterbrochen.

Das Regime konnte mit dererlei Beifallsbekundungen nichts anfangen. So setzte die Polizei Tränengas ein und prügelte Demonstranten zusammen. Über 100 Personen wurden festgenommen - darunter auch Ex-Präsident Stanislaw Schuschkewitsch sowie mehrere Journalisten. "Die Behörden unternehmen gigantische Anstrengungen, um die Woge zivilen Protestes zu brechen", schreibt die oppositionelle Website "Charter 97".

Am Nachmittag war Staatspräsident Alexander Lukaschenko während einer Militärparade gegen seine Kritiker verbal zu Felde gezogen. "Wir verstehen, dass es das Ziel dieser Angriffe ist, Unsicherheit und Aufruhr zu sähen, die soziale Harmonie zu zerstören. Am Ende sollen wir in die Knie gezwungen und die Errungenschaften unsere Unabhängigkeit zunicht gemacht werden. Doch das wird nicht passieren", sagte Lukaschenko.

Diese Drohgebärden können nicht darüber hinweg täuschen, dass die Tage des Autokraten gezählt sein könnten. Seit Protesten gegen seine manipulierte Widerwahl am 19. Dezember 2010 werden Regimegegener von einer beispiellosen Repressionswelle überzogen. Mehrere oppositionelle Präsidentschaftskandidaten wurden wegen des "Schürens von Massenaufruhr" in Schauprozessen zu Haftstrafen verurteilt - Grund für die EU, Sanktionen gegen Minsk zu verhängen.

Doch Lukaschenkos Schicksal besiegeln könnte die desolate Wirtschaftslage: Im Mai musste der Rubel um 36 Prozent abgewertet werden, Devisenreserven sind aufgebraucht. Angesichts von Preissteigerungen zwischen 40 und 50 Prozent für Lebensmittel tätigen die Menschen Hamsterkäufe. Für Mittwoch hat die Opposition übrigens erneut Proteste angekündigt.

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