Prozesse nach Genua: Strafen ohne Folgen

Verurteilungen, Freisprüche, Verjährungen, Straferlass – was aus den Verfahren nach der Gewalt bei den G8-Protesten in Genua wurde.

Genua 2001: In Folge eines generellen Straferlasses muss keiner der Polizisten damit rechnen, Haftstrafen antreten zu müssen. Bild: reuters

Sturm auf die Scuola Diaz: In der Nacht auf den 22. Juli stürmen hunderte Polizisten eine Schlafstätte der Globalisierungskritiker und schlagen in einer Prügelorgie dutzende Menschen krankenhausreif; einige Demonstranten tragen schwere Verletzungen davon. 93 Personen werden festgenommen, sie haben laut Polizei eine kriminelle Vereinigung gebildet. Als Beweis dienen zwei von der Polizei mitgebrachte Molotowcocktails. Im Jahr 2010 werden in zweiter Instanz 25 Polizisten, darunter viele hohe Beamte, wegen Körperverletzung und Fälschung von Beweismitteln zu bis zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Haftanstalt Bolzaneto: 200 festgenommenen Demonstranten wird drei Tage lang der Kontakt zu Anwälten verweigert. Sie werden geschlagen, Piercings werden ausgerissen, Frauen wird mehrfach Vergewaltigung angedroht. In zweiter Instanz befindet das Gericht im Jahr 2010 alle 44 angeklagten Beamten für schuldig und verurteilt sie zu Entschädigungszahlungen. Aufgrund der Verjährung werden nur sieben Angeklagte zu Haftstrafen zwischen einem und drei Jahren verurteilt.

Prozess gegen 25 Demonstranten: In zweiter Instanz werden im Jahr 2009 zehn zum Schwarzen Block gerechnete Personen zu Strafen von bis zu 15 Jahren Haft verurteilt, unter anderem wegen Plünderung eines Supermarktes. 15 Personen aus den Reihen der "Ungehorsamen" hingegen werden freigesprochen. Das Gericht billigt ihnen zu, in Notwehr gehandelt zu haben. Ihr Demonstrationszug sei von den Carabinieri ohne jeden Anlass mit extremer Brutalität attackiert worden.

Verfahren um den Tod Carlo Giulianis: Das Verfahren wird schon im Jahr 2003 eingestellt. Das Gericht sieht die Notwehr des Carabiniere gegeben, der aus einem Jeep auf Carlo Giuliani geschossen hatte, während der junge Mann mit einem Feuerlöscher in den Händen auf das Fahrzeug zulief. Zudem behauptet ein Gutachter, das tödliche Projektil sei in die Luft gefeuert worden, von einem von Demonstranten geworfenen Stein abgeprallt und habe dadurch Giuliani getroffen.

Prozess gegen den Polizeichef Gianni De Gennaro: Dem damaligen Polizeichef Italiens und heutigen Geheimdienstkoordinator der Regierung und zwei seiner Mitarbeiter wird vorgeworfen, Zeugen aus den Reihen der Polizei im Prozess um die Scuola Diaz zur Falschaussage angestiftet zu haben. De Gennaro wirde in zweiter Instanz zu 16 Monaten Haft verurteilt.

Stand heute: Sämtliche Prozesse müssen noch die letzte Instanz vor dem Kassationsgericht passieren. Weitere Freisprüche wegen Verjährung sind sehr wahrscheinlich. In Folge eines generellen Straferlasses aus dem Jahr 2006 muss keiner der Polizisten damit rechnen, die Haftstrafen antreten zu müssen. Die meisten der verurteilten Spitzenbeamten haben in den letzten zehn Jahren weitere Karrieresprünge gemacht; polizeiinterne Disziplinarverfahren gab es nicht.

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