Luxuriöses Fertigessen: Am Suppentopf erwachsen werden

Sie haben mal was mit Medien gemacht und gehören zur Großstadtboheme. Jetzt kochen sie Marmeladen, Suppen und Soßen und bieten sie zum Verkauf.

Schicke Soßen in schicken Flaschen: So schön kann Dressing sein. Bild: screenshot/salatfritz.de

Mitten in der alten Filmstadt Berlin-Weißensee rührt sich Jan Daniel Fritz sein neues Leben zusammen. Drei schmale Stufen führen von der Straße hinauf in sein Ladengeschäft. Vier Räume, eigenhändig renoviert und zweckmäßig eingerichtet. Büro, Lager, Küche, Versand - alles auf hundert Quadratmetern. Fritz Geschäftsidee: Er mischt in einem Fünfzig-Liter-Bottich aus Edelstahl Salatdressings. Nach eigenen Rezepten, mit Zutaten aus ökologischem Anbau. Für vier bis sechs Euro je Viertelliterflasche verkauft er Soßen in den Geschmacksrichtungen "Balsamhonig", "Nussbeere" und "Sesamapfel".

Jan Daniel Fritz war früher Regieassistent beim Film. Nun hat er eine Ein-Mann-Manufaktur und nennt sich "Salatfritz". Er ist 43 Jahre alt und hat zwei kleine Kinder. "Man wird auch älter", sagt er. Die 14-Stunden-Tage stecke er nicht mehr so leicht weg; die Filmprojekte hätten ihn mitunter verschluckt. Jetzt will Fritz es etwas ruhiger angehen lassen: "Mir geht es um die Familie."

Wenn die großstädtischen Medienmeute - Umhängetasche, Projektarbeit, Latte macchiato - zur Ruhe kommen, erwachsen werden will, rührt sie Dressings, Suppen oder Fruchtaufstriche an und verkauft sie an den jüngeren Teil der Medienmeute. Kochen nach eigenem Rezept, ein gutes Symbol fürs Angekommensein. Was aus dem alten Leben bleibt, ist die perfekte Performance.

Die Salatfritzflaschen sehen natürlich klasse aus. Genauso wie die Suppenbecher von "Yes Please" und die Gläser von "Jamalade".

Originelles Geschenk zum Valentinstag

Die Macher von Jamalade - Dilim Onyia und Ritchie Vogel, der Sohn des Schauspielers Jürgen Vogel - bewerben ihr Produkt auf Facebook und Youtube, obwohl man ihren Fruchtaufstrich bislang nur in Berlin kaufen kann. "Ich wollte PR-technisch mal ein paar Sachen ausprobieren", sagt Vogel, der Marketing studiert. Die Selbstdarstellung gehört dazu. Sie lassen sich in Anzügen vor einem Cabrio fotografieren, kreieren einen Gründungsmythos von entführten Seniorinnen, die so lange Früchte einkochen mussten, bis das Rezept stimmte. Eigentlich sei Jamalade nur als originelles Geschenk zum Valentinstag gedacht gewesen, sagt Vogel. "Wir haben uns gedacht: Lass uns doch für unsere Freundinnen eine leckere Marmelade kochen." Das Geschenk kam an - und schmeckte. Momentan ist Jamalade für die beiden nur ein Hobby, aber sie haben große Pläne: "Wir wollen eine Alternative zu Nutella werden."

Auch Gemma Michalskis Suppenbecher sollten gut aussehen, eine Illustratorin hat ihr ein schickes Corporate Design inklusive Website entworfen. Vor knapp vier Jahren hat sie erkannt, dass Biofertigprodukte eine Marktlücke sind, sich damit gutes Geld verdienen lässt. Seit Oktober 2007 vertreibt sie ihre Suppen zum Aufwärmen unter der Marke Yes Please in den Geschäften der Republik - ohne Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker. Der halbe Liter Suppe im quietschbunten Plastikbecher kostet vier Euro, sieben verschiedene Sorten gibt es. Sie mache das für Menschen mit stressigem Alltag, sagt Gemma Michalski. Die Engländerin ist 45 Jahre alt und hat früher ein Internetportal für Sportwetten betrieben.

Bis vor wenigen Jahren sei es fast unmöglich gewesen, eine gesunde Alternative zu Salamipizza und Labberfritten zu finden. "Wenn die Leute sich schon Fertigessen kaufen, dann sollen sie wenigstens was nach Hause schleppen, das nicht scheiße schmeckt", sagt die Geschäftsfrau und meint natürlich ihre Suppen. Mittlerweile sind sechs Festangestellte damit beschäftigt, Michalskis kleines Suppenimperium auszubauen.

Ihre Zielgruppe - die Menschen in den Architekturbüros und Werbeagenturen - will persönlichen Kontakt, Michalski bietet regelmäßig Verköstigungen an. Ihre Kunden zahlen vier Euro für eine Biosuppe. "Das ist eine Frage der persönlichen Einstellung. Die Leute geben doch das Gleiche für Zigaretten aus", sagt sie. "Es ist eine langweilige Wahrheit, aber es geht einem besser, wenn man besser isst."

Zu teuer für das Durchschnittseinkommen

Das Biobürgertum ist anspruchsvoll, kritikfreudig. Wenn nicht wegen des Geschmacks, dann wegen der Produktionsbedingungen. Michalskis Suppen werden in England gekocht und im Kühllaster nach Deutschland transportiert. Das schmälere die Ökobilanz, warfen ihr Kritiker vor. "Wir würden die Suppen schon gern in der Region herstellen lassen", antwortet Michalski pflichtbewusst. Man stehe seit Längerem in Verhandlungen mit einem Brandenburger Unternehmen.

Pflücken: Ende Juli haben Kirschen, Mirabellen, Pfirsiche, Pflaumen Heidel-, Him-, Brom- und Stachelbeeren Saison.

Vorbereiten: Obst waschen, entkernen, putzen, schnibbeln - wer es fein mag, kann auch noch pürieren. Alles in einen großen Topf geben und im Verhältnis 1:1 mit Gelierzucker mischen.

Erhitzen: Die Mischung zum Kochen bringen. Den Herd nicht verlassen - sonst kocht das Ganze über. Rühren! Vier Minuten reichen.

Testen: Ganz wichtig ist am Ende die Gelierprobe. Einen Klecks auf einen kalten Teller tropfen. Wenn die Marmelade fest wird, ist alles richtig. Wenn sie flüssig ist, kommt noch der Saft von zwei Zitronen dazu - und das Ganze wird zwei Minuten weitergekocht.

Abfüllen: Die heiße Masse schnell in ein Glas mit beschichtetem Schraubdeckel füllen. Randvoll - dann kann man sie luftdicht verschließen. Glas auf den Kopf stellen, so wird auch der Deckel keimfrei.

Verschönern: Wer seine selbst hergestellte Konfitüre im Kühlschrank hat, sollte auch das Glas entsprechend schmücken. Zum Beispiel mit einem taz-Cover (www.taz.de/titel) - oder mit einem TOM-Comic (www.taz.de/tom). Einfach ausdrucken, ausschneiden und mit durchsichtiger Klebefolie aufkleben.

Auch Jan Daniel Fritz ist sich im Klaren darüber, dass seine Soßen für eine Familie mit Durchschnittseinkommen zu teuer sind. "Ich wollte ein Gourmetprodukt ohne qualitative Abstriche machen - und das kostet halt entsprechend", sagt er. Mit steigenden Verkaufszahlen will Fritz die Preise senken. Dafür steht er beinahe jeden Nachmittag mit seinem Werbestand in einem der unzähligen Berliner Bioläden, um die Menschen von seinen Salatsoßen zu überzeugen. "Die normalen Fertigdressings beleidigen ja die Geschmacksnerven", sagt Fritz. Auch er versucht, den Verbrauchern einen Mehrwert zu bieten, der über das reine Produkt hinausgeht. Auf seiner Website hat er alle erdenklichen Salatsorten mit den entsprechenden Nährwerten gelistet, daneben bietet er Rezeptvorschläge und einen Gesundheits-Newsletter an. Zehn Prozent der Gewinne will Fritz an ein Kinderheim im indischen Kalkutta weiterreichen - um seinem eigenen sozialen Gewissen und dem der Verbraucher zu genügen. Er ist auf der Suche nach einer neuen Balance: Zwischen Soßentopfruhe und Selbstvermarktung.

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