"Kurzer" Prozess: Milde für die Zuhälter

Vor dem Amtsgericht Bremen kommen zwei der Ausbeutung von Prostituierten Angeklagte billig davon - obwohl es mehrere ZeugInnen gibt und das Gericht die Vorwürfe als "stichhaltig" ansieht.

Blind und manchmal auch ein bisschen husch-husch: Justitia. Bild: dpa

BREMEN | taz Am Ende geht alles ganz schnell. Das Verfahren gegen Richard S. und Zsuzsanna C. - vom Bremer Amtsgericht angeklagt wegen Ausbeutung von Prostituierten - wird eingestellt. Wegen Geringfügigkeit der Schuld, gegen Zahlung von 1.000 beziehungsweise 500 Euro. Dabei sei die Anklage, wie die Richterin sagt, durchaus "stichhaltig". Und es gibt zwei ehemalige Prostituierte, die bereit wären, vor Gericht gegen S. und C. auszusagen. Und deren Ehemänner, die früher ihre Freier waren und heute auch in den Zeugenstand treten würden.

Aber soweit wird es nicht kommen. Denn die Amtsrichterin Carola Jeschke will lieber "ein schnelles Ende" des Prozesses. Sie spricht vom "psychologischen Druck", der auf den Frauen laste, und dass es im Interesse der Betroffenen sei, das Verfahren nicht "bis zum Ende durchzufechten". Zur Hauptverhandlung erschienen sind die beiden zunächst nicht.

Die Geschwister, die aus dem rumänischen Siebenbürgen stammen, treten aber als NebenklägerInnen auf. Sie wohnen heute in Delmenhorst. Dass sie aussagen würden, ist eher untypisch. Oft lehnen die betroffenen Frauen das ab. Oder sind zurück in jenen Ländern, aus denen sie kommen.

Laut §153 Strafprozessordnung kann auch ein eröffneter Prozess wieder eingestellt werden, wenn die "Schuld des Täters als gering anzusehen" ist.

Staatsanwaltschaft und Anklage müssen dem Beschluss zustimmen. Es ergeht kein Urteil, die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Es können vom Gericht Auflagen und Weisungen erteilt werden, "wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen" und die Schwere der Schuld dem "nicht entgegensteht".

Infrage kommen insbesondere Geldzahlungen. Diese sind dann keine Geldbußen oder -strafen. Die Auflagen müssen binnen sechs Monaten erfüllt werden.

Richard S. und Zsuzsanna C. sowie dem mitangeklagten Volker M. werfen sie vor, sie im Sommer 2006 als Betreiber der Bar "Peppers" im Bremer Stadtteil Walle fast zwei Monate lang in der Bar und an der Straße auf den Strich geschickt zu haben. Zwei Hintermänner aus Ungarn, die nie gefasst wurden und nur als "Tobi" und "Robi" firmieren, sollen sie unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt haben. Ihre Papiere wurden ihnen abgenommen.

Von mittags bis abends hatten sie sich im Internet, dann auf dem Straßenstrich und ab ein Uhr morgens schließlich an der Bar anzubieten, so die Anklage. Ihre Zimmer - Tagesmiete: 80 Euro - wurden demnach mit Kameras überwacht. Ihre Einnahmen, von den beiden AnwältInnen der Nebenklage auf je 30.000 Euro geschätzt, sollen die drei Angeklagten kassiert haben. Eine Stunde Verkehr kostete 150, die halbe Stunde noch 100 Euro.

Ein Teil dieses Geldes floss dann wiederum an "Tobi" und "Robi", an die beiden Prostituierten zusammen nur zehn Euro am Tag, für Essen und Zigaretten. Für so genanntes "Fehlverhalten", etwa wenn sie Freier ablehnten, wurden Geldstrafen verhängt, sagt die Staatsanwaltschaft. Einem schnellen Ende des Verfahrens stimmt sie bereitwillig zu.

Richard S., ein bulliger Typ mit Stiernacken und kahl rasiertem Schädel, will sich zur Sache nicht äußern. Hat aber einschlägige Vorstrafen. Auch Frau C., seine blonde Lebensgefährtin, ebenfalls aus Ungarn stammend, schweigt. Dass S. bereit sei, das schnelle Prozessende mit einer Auflage von 1.000 Euro zu bezahlen, sei "kein Schuldeingeständnis", sagt sein Anwalt.

Und Volker M.? Er sei sich "keiner Schuld bewusst", sagt er. Sein Anwalt ist gar nicht erst erschienen, sein Prozess deswegen noch nicht am Ende. "Ich habe mit dem Verfahren nichts zu tun", sagt M. Doch auch er ist schon früher im Rotlichtmilieu aufgefallen, sagt der Opferanwalt. Als die Anklage verlesen wird, schüttelt M. nur mit dem Kopf. Gegen ihn wird extra verhandelt werden, frühestens aber in einem halben Jahr. Die Geschehnisse liegen schon jetzt fünf Jahre zurück.

"Ich bin mit der Einstellung des Verfahrens nicht einverstanden", sagt Corina Seiter, die eine der Prostituierten vertritt. "Meine Mandantin würde aussagen." Und ihre Schwester? Ist "zermürbt", sagt ihr Anwalt Alexander Jung, würde zwar "am liebsten nicht mehr aussagen". Sich aber "ihrer Pflicht stellen".

500, 1.000 Euro, das sei doch ein "guter Preis", sagt er zynisch - in etwa die Summe, die eine Prostituierte am Tag habe ranschaffen müssen. Gegen eine Einstellung des Verfahrens gibt es für die Nebenklage aber keine Rechtsmittel. Wird die Rechnung binnen eines halben Jahres beglichen, ist der Fall für die Justiz erledigt.

Kritik kam auch von der Opferhilfe "Weißer Ring", deren Vertreter bei dem Prozess als Beobachter auftrat. "Unbefriedigt" sei er, und "deprimiert", sagte er, die Einstellung des Verfahrens sei "völlig daneben". Immerhin: Die 1.500 Euro werden seiner Organisation zugute kommen.

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