Marode Bausubstanzen: Ruine in Not

Nach Hochschulgebäuden und CCH bröckelt das Mahnmal St. Nikolai: Immer mehr Bauten müssen für viel Geld saniert werden. Schuld ist der alte Senat - sagt der neue.

Marodes Mahnmal: Polizeiabsperrung um die Ruine der Hauptkirche St. Nikolai. Bild: dpa

Ein neun Kilogramm schwerer Steinbrocken ist am Mittwoch Nachmittag aus dem Turm der ehemaligen Hauptkirche St. Nikolai aus großer Höhe auf den Bürgersteig gefallen. Auch wenn niemand zu Schaden kam, musste die Stadt reagieren: Noch am selben Abend sperrte sie eine Fahrspur der viel befahrenen Willy-Brandt-Straße, um Verkehrsteilnehmer und Passanten zu schützen. "Der Stein hätte jemanden erschlagen können", sagt Markus Schreiber, Amtsleiter des Bezirks Mitte.

Am Freitag traf er sich mit Vertretern von Finanz-, Stadtentwicklungs- und Kulturbehörde zu einer eilig einberufenen Krisenrunde. Das Ergebnis: Um zu verhindern, dass weitere Fassadenteile auf die Straße fallen, wird die Nikolaikirche schon in den nächsten Tagen eingerüstet. Die dafür benötigten rund 300.000 Euro bezahlt die Stadt, bestätigte Senatssprecher Christoph Holstein. "Wo Sicherheit gewährleistet werden muss, muss umgehend gehandelt werden."

Wer für die Sanierung des maroden Mahnmals aufkommt, ist hingegen unklar. Bezirk und Stadt schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Vom Boden aus schätzen Architekten die für die Sanierung nötige Summe auf rund 4,5 Millionen Euro. Ein seriöser Kostenvoranschlag aber kann erst erstellt werden, wenn das 90 Meter hohe Gerüst steht. Weil die Nikolaikirche als Denkmal von nationalem Wert eingestuft ist, können für die Sanierung Fördermittel des Bundes beantragt werden. Unumstritten ist, dass das Mahnmal erhalten werden soll. "Ein Abriss ist keine Option", sagte Holstein.

Der Bezirk Mitte wollte den maroden Turm schon vor vier Jahren einrüsten. Oberbaudirektor Jörn Walter aber legte sein Veto ein, weil das Gerüst mit einem riesigen Werbeplakat hätte finanziert werden sollen. Um die Instandhaltung selbst stemmen zu können, wurde dem Bezirk Mitte eine Beteiligung an Werbeeinnahmen versprochen. Über 15 Jahre verteilt hätte er 14 Millionen erhalten sollen. Geflossen sind aber nur 1,9 Millionen - danach ist die Quelle wegen Sparmaßnahmen versiegt. "Natürlich haben wir nicht freiwillig verzichtet", sagt Schreiber. "Der schwarz-grüne Senat hat das von oben herab bestimmt."

Die neugotische Hauptkirche St. Nikolai an der Willy-Brandt-Straße wurde 1874 fertiggestellt. Bei Luftangriffen im Rahmen der "Operation Gomorrha" wurde sie am 28. Juli 1943 schwer beschädigt. Der zehntägige Beschuss Hamburgs forderte rund 35.000 Todesopfer.

Nach dem Krieg beschloss der Senat, die Kirche nicht wieder aufzubauen. Erhalten sind nur der 147 Meter hohe Turm, der Chorraum sowie ein Teil einer Außenmauer.

Die Ruine ist als Mahnmal den "Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft" zwischen 1933 und 1945 gewidmet. 1960 wurde es unter Denkmalschutz gestellt.

Auch Holstein glaubt, dass die Instandhaltung der Nikolaikirche in den vergangenen Jahren arg vernachlässigt wurde. Das Denkmal ordne sich ein in eine ganze Liste von Bauten, denen man zu wenig Sorge getragen habe. In neue Projekte habe der alte Senat immer gerne investiert, bei bestehenden sei hingegen geknausert worden. Eine Erklärung hat Holstein parat: "Nur bei sogenannten Prestigeprojekten lassen sich schöne Pressekonferenzen veranstalten."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.