Brandstiftungen in Berlin: Linke Szene brennt vor Neugier

Die CDU vermutet linksextreme Motive hinter den abgefackelten Autos. Die Berliner Autonomen wissen aber nicht, ob die Täter aus ihren Reihen stammen.

Man müsse unterscheiden zwischen irgendeiner Brandstiftung und Brandstiftung mit konkreten politischen Zielen, heißt es in der linken Szene. Bild: dpa

BERLIN taz | In der linken Szene ist man sich uneins über die Bewertung der Brandanschläge auf Autos. "Die brennenden Autos sind zunächst einmal Ausdruck einer Auseinandersetzung um die Stadt", sagt Philipp Stein von der Initiative "Für eine linke Strömung", Fels.

Für die Antifaschistischen Linke Berlin meint Lars Laumeyer: "Ich finde es nicht richtig, dass alle Brandstiftungen in einen Topf geworfen werden". Man müsse unterscheiden zwischen irgendeiner Brandstiftung und Brandstiftung mit konkreten politischen Zielen wie etwa Anschläge auf ein Auto des Ordnungsamtes oder der Deutschen Bahn.

In der Hauptstadt zündeten Unbekannte in der dritten Nacht in Folge Pkws an, insgesamt 35 allein in dieser Woche. In diesem Jahr brannten in Berlin rund 300 Autos aus. Das ist ein bemerkenswerter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, als nur 54 Wagen Flammen fingen. Die Berliner CDU vermutet die Brandstifter in der linksextremen Szene.

Vier Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl bewegt das Thema inzwischen nicht mehr nur Anwohner und Lokalmedien, auch Bundeskanzlerin Merkel äußerte am Donnerstag Besorgnis über die Brandanschläge.

5.000 Euro Kopfgeld ausgesetzt

Die Berliner Polizei tappt im Dunkeln. Ein Sprecher sagte auf Anfrage: "Wir ermitteln in alle Richtungen." Die Polizei setzt mittlerweile auch Hubschrauber ein und hat ein Kopfgeld in Höhe von 5.000 Euro auf den oder die Täter ausgesetzt. Der CDU-Kreisverband des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf stockte um 2.000 Euro auf. In diesem Bezirk konzentrierten sich die Anschläge in den letzten Tagen.

Jeder Irre könne sagen, er verübe diese Anschläge im Namen der linken Szene, meint ein Aktivist, der sich Johann nennt: "Ich hab keine Ahnung, wer hier die Autos anzündet", sagt er im Chat. "Vielleicht ist es ein Trittbrettfahrer, vielleicht aber auch einer von uns." Letzteres könne er sich aber nicht vorstellen: "Wenn das einer von uns wäre und wir die momentane Aufmerksamkeit nicht für Aktionen nutzen, um unsere Inhalte unterzubringen, wäre das schon sehr dämlich".

Die linke Szene Berlins ist indes nur lose organisiert, es gibt keine prominenten Wortführer. Ein einheitliches Meinungsbild ergibt sich daher nicht. Einige Aktivisten sehen die Brandanschläge als Teil des Kampfes gegen das System. Philipp Stein von Fels nennt mögliche Motive: die unsolidarische Politik in Deutschlands, explodierende Mieten in den Großstädten und sinkende Löhne.

Brennende Autos als Kampf gegen das System

Schon im Mai hieß es in einer Ausgabe der linksradikalen Zeitschrift interim, die in einer Auflage von 1.500 Stück erscheint, dass "militante Aktionen sich von selbst vermitteln sollen". In dem Artikel wurde allerdings kritisiert, dass beliebig wirkende Brandstiftungen, die auch Kleinwagen beträfen, negativ auf die Szene zurückfielen und niemandem weiterhelfen würden. Als neue Ziele wurden Firmenwagen oder "Autos in teuren Wohnvierteln" ausgegeben, "damit man die Richtigen treffe".

Vergleiche mit den Londoner Krawallen weisen die Berliner Linksalternativen von Fels aber ausdrücklich zurück. "Solche Vergleiche dienen lediglich der Diskussion um die nächste Gesetzesverschärfung", sagt Stein.

Die Innenpolitiker Wolfgang Bosbach (CDU) und sein SPD-Kollege Dieter Wiefelspütz verglichen die Anschläge bereits mit den Anfängen der RAF in den 70er Jahren.

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