Sonderschüler müssen warten

Aus Mangel an Bussen werden behinderte Kinder zeitversetzt zur Schule gebracht. Jetzt will der Senat den Missstand rechtlich untermauern. Eltern kritisieren Unterrichtsausfall

Die Bildungsbehörde will die so genannte Schulweghilfe für behinderte Schüler in einer neuen Richtlinie regeln. Darin soll die Beförderung per Schulbus in einem „zeitversetzten Zwei-Touren-System“ festgeschrieben werden. Schüler der gleichen Klasse kommen dadurch morgens zu unterschiedlichen Zeiten in die Schule und nachmittags wieder nach Hause. Bei Eltern, Verbänden und Schulen stößt die Regelung auf massive Kritik.

In der Praxis wird das Zwei-Touren-System schon seit Jahren angewandt. Weil für die Sonderschulen nicht ausreichend Busse zur Verfügung stehen, werden manche Kinder schon um acht Uhr in die Schule gebracht, andere erst in einer zweiten Tour um neun. Obwohl die Kinder in den Ganztagsschulen laut Gesetz Anspruch auf Unterricht bis 16 Uhr hätten, bringt sie die erste Nachmittagstour schon ein bis zwei Stunden früher nach Hause. Die Hamburger Elternkammer beziffert den Unterrichtsverlust auf bis zu 380 Stunden pro Jahr.

„Mit dem Regelungsentwurf bekommt diese Organisationsform die ausdrückliche Billigung der Bildungsbehörde“, so Jens Kirschner von der Kammer. Diese führe jedoch zu einer erheblichen Ungleichbehandlung der Kinder untereinander und gegenüber den Schülern, die allgemeinbildende Schulen besuchen. Durch die unterschiedliche Ankunfts- und Abfahrtszeiten gebe es in einigen Klassen täglich nur vier Stunden gemeinsamen Unterricht. Gemeinsame Klassenaktivitäten wie Ausflüge seien kaum möglich.

Auch für die Eltern seien die unregelmäßigen Unterrichtszeiten problematisch, so Kirschner. Mindestens einmal im Monat würden die Kinder sogar schon gegen zwölf Uhr nach Hause gebracht, weil Schulkonferenzen stattfänden. Kirschner: „Einem behinderten Kind kann man aber nicht einfach einen Schlüssel in die Hand drücken und es sich selbst überlassen.“ Einige Eltern hätten ihre Berufe deshalb schon aufgeben müssen. Die Kammer verlangt nun, dass die Behörde den Schulen die Mittel zur Busbeförderung schülerzahlenabhängig zur Selbstbewirtschaftung zur Verfügung stellt.

Wegen der Einwände der Betroffenen fordert die SPD-Schulexpertin Sabine Boeddinghaus den Senat auf, die Fristen zur Debatte der Vorlage zu verlängern. Kritik und Alternativvorschläge der Verbände und Gremien seien zu bedenken. Kristina Allgöwer