Sportrechtler über Bodychecks: "Gegner unterwerfen sich der Regel"

Warum wird Boxen nicht verboten oder strafrechtlich verfolgt? Der Sportrechtler Martin Nolte über Bodychecks und fliegende Pucks.

Die Schlägerei ist für viele Eishockey-Zuschauer Teil des Programms. Bild: dpa

taz: Herr Nolte, ist jeder Schlag beim Boxkampf eine Körperverletzung?

Martin Nolte: Nein. Schläge gegen den Kopf sind zwar Beschädigungen der Gesundheit und erfüllen insofern den Tatbestand der Körperverletzung. Allerdings willigen Boxer zumindest in solche Beschädigungen ein, die durch regelgerechte Schläge verursacht werden. Danach wären selbst im unglücklichen Todesfall etwaige Schadenersatzansprüche ausgeschlossen. Der Boxer willigt in die Regel dadurch ein, dass er sich - im Training oder im Wettkampf - ausdrücklich unterwirft.

Wo liegt die Grenze?

Wenn die Verletzung nicht auf regelgerechten Schlägen beruht. Das gilt insbesondere für Verletzungsfolgen, die man sich lediglich anlässlich eines Boxkampfes zuzieht, die aber noch nicht einmal unmittelbar mit Schlägen zu tun haben. Etwa der Ohrbiss von Mike Tyson bei Evander Holyfield. Diese Verletzungsfolge war von keiner Einwilligung gedeckt. In einem solchen Fall hat der Sportler dann Anspruch auf Schadenersatz.

Mit welchen Sportarten ist das Boxen vergleichbar?

Mit dem Ringkampf, mit Autorennen und Felsenklettern. Hier gelten ähnliche Kriterien wie beim Boxen.

Was sollen wir berichten?

Der Wunsch: taz-Leser Matthias Braese hat uns gebeten, dieser Frage nachzugehen: Warum wird Boxen nicht verboten oder strafrechtlich verfolgt? Es handelt sich doch um vorsätzliche gefährliche Körperverletzung.

Der Weg: Senden Sie Ihre Anregung an open@taz.de oder an die taz, Sebastian Heiser, Rudi-Dutschke-Straße 23, 10969 Berlin

MARTIN NOLTE, 44, ist Professor für Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Und beim Eishockey? Da wird sich auch geprügelt.

Das stimmt. Dort gelten aber ähnliche Leitlinien wie beim Fuß- oder Handball. Danach zieht nicht jede Regelverletzung einen Schadenersatz nach sich. Die Sportler willigen in jedem Fall in solche Verletzungsfolgen ein, die durch geringfügige Regelüberschreitungen verursacht werden. Wäre es anders, müsste man nach jedem Bundesliga-Spieltag mit etlichen Klagen rechnen. Wenn der Spieler sich die Verletzung außerhalb der kampfbedingten Härte zuzieht und die Grenze zur Unfairness überschritten wird, hätte der Verletzte Anspruch. So etwas wird dann aber vom Richter entschieden - egal ob der Schiedsrichter im Spielverlauf die gelbe oder rote Karte gezeigt hat.

Wie sieht so ein Schadenausgleich in der Praxis aus?

Im Regelfall dürfte der Ausgleich zwischen den Versicherern der Beteiligten stattfinden. Auf der einen Seite steht die Krankenversicherung des Geschädigten, auf der anderen die Haftpflichtversicherung des Schädigers. Die Krankenkasse des Geschädigten tritt ein für den Ersatz der sportbedingten Schäden und fragt dann, ob sie bei der Versicherung des Schädigers Regress nehmen kann.

Und was passiert, wenn Zuschauer verletzt werden?

Da muss man zwischen spielbedingten Verletzungsfolgen und solchen außerhalb des Spiels unterscheiden. Wenn zum Beispiel ein Puck von der Bande abprallt und jemanden im Zuschauerraum verletzt, passiert das im Normalfall weder absichtlich noch grob fahrlässig. Der Spieler haftet nicht. Denkbar wäre aber ein Anspruch gegen den Veranstalter, wenn dieser seiner Sicherungspflicht nicht nachgekommen ist, also zum Beispiel versäumt hat, ein Gitter anzubringen. Anders liegt die Sache bei Übergriffen auf Fans, die nichts mit dem Spiel zu tun haben. Denken Sie an Paolo Guerrero vom Hamburger SV, der einem Zuschauer eine Flasche an den Kopf geworfen hat. In solch einem Fall hat der Geschädigte Schadenersatzanspruch.

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