Kommentar HSV: Der Messias hat versagt

Die Verpflichtung von Frank Arnesen als Sportdirektor des HSV galt als der ganz große Coup. Innerhalb weniger Wochen hat es der Däne geschafft, sämtlichen Kredit zu verspielen.

Beim FC Chelsea London durfte der Däne Frank Arnesen als Sportdirektor unbekümmert die Millionen von Klubboss Roman Abramowitsch zum Fenster hinaus schaufeln. Für den Gewinn der Champions League war dem russischen Milliardär kein Preis zu hoch - Abramowitsch wartet allerdings heute noch auf den Titel in der europäischen Königsklasse. Warum ausgerechnet Arnesen der Mann sein soll, der den HSV mit seiner Fachkompetenz in eine bessere Zukunft führen soll, wissen die Götter.

Die Hanseaten wollten sich mit der Verpflichtungmit Arnesens das Flair der großen Fußballwelt einkaufen und natürlich auch dessen legendäre Telefonnummernsammmlung. Sein Mobiltelefon benutzt der kommunikative und sympathische Däne oft und gerne. So gelang ihm binnen weniger Tage der ganz große Wurf - er verpflichtete eine Hand voll Spieler aus Chelseas B-Kader. Der überalterte HSV-Kader wurde deutlich verjüngt, das Spiel verbesserte sich trotz der Frischzellenkur nicht. Die Kicker-Benotungen der angeblichen Verstärkungen von der Insel könnten nach dem ersten Saisonviertel kaum schlechter sein. Zwei Beispiele: Michael Mancienne: 4,9 und Jeffreys Bruma: 4,6.

Der Verein, der seit den glorreichen Zeiten Felix Magaths Mitte der 80-ger Jahre keinen ernsthaften Titel mehr gewonnen hat, verfügt über einen geradezu masochistische Drang, seine Streitereien öffentlich auszutragen. Mit traumwandlerischer Sicherheit fällen Vorstand und sportliche Leitung seit Jahren falsche Entscheidungen. Zu Saisonbeginn sollte alles anders werden, dem jungen Trainer Michael Oenning wollte man viel Zeit gegen, um den neuen HSV zu entwickeln. "Viel Zeit" heißt in Hamburg sechs Spieltage, dann war Schluss für Oenning.

Der wandelbare Geist des Frank A.

"Dänen lügen nicht", ist eine Mär, wie der oft als geradlinig gerühmte Frank Arnesen beweist. Bei der Trainerentlassung spielte er eine ziemlich unrühmliche Rolle. Nach dem verlorenen Spiel gegen Gladbach sagte er am 17. September: "Wir haben am Freitag ein Spiel gegen Stuttgart, und da sitzt Michael Oenning neben mir im Flugzeug." Keine 48 Stunden später konnte sich Oenning seine Papiere holen.

Als Interimstrainer wurde Rodolfo Cardoso installiert, ehemaliger HSV-Spielmacher und erfolgreicher Trainer der zweiten Mannschaft. Zur Dauerlösung taugt der Argentinier aber nicht, er hat keinen A-Trainerschein und darf deshalb laut Uefa-Bestimmungen nicht länger als drei Wochen wirken. Arnesen ließ seine exzellenten Kontakte spielen und sprach umter anderem mit Branchengrößen wie Marco van Basten, Morten Olsen und Huub Stevens - alle sagten ab. Trotzdem schloss Arnesen eine Lösung mit Cardoso und einem Strohmann, der über die notwendige Lizenz verfügt, kategorisch aus. Der HSV wolle "immer den geraden Weg".

Der "gerade Weg" meint in diesem Fall: Am neunten Spieltag der Bundesliga heißt der offizielle Trainer der Hamburger Frank Arnesen. Assistent Cardoso wird sich sicher über dessen in dreijähriger Cotrainertätigkeit beim PSV Eindhoven erworbenes Knowhow freuen. Heißester Kandidat für das Traineramt beim HSV ist nun Thorsten Fink. Der ehemalige Nationalspieler findet nämlich, dass "der HSV ein toller Klub ist". Leider ist der neue Messias zurzeit noch Trainer des FC Basel. Aber es ist Land in Sicht, der Sportinformationsdienst sid berichtet, dass sich Top-Netzwerker Arnesen und Fink bereits auf die Modalitäten eines Wechsels geeinigt haben.

Ein Ziel wenigstens hat der HSV mit seiner rückgratlosen Politik erreicht: In den letzten Monaten wurde kein Verein in der deutschen Presse häufiger genannt. Wenn die Talfahrt des letzten noch nie abgestiegenen Bundesligagründungsmitglieds nicht ganz schnell gestoppt wird, könnte der HSV mit dem Stadtrivalen Sankt Pauli im Sommer 2012 die Liga tauschen. Bis zum siebenten Spieltag hatten die Hamburger lediglich einen einzigen Punkt. Die Pauli-Fans erzählten sich ob der desolaten Bilanz folgenden Witz: Was ist der Unterschied zwischen dem HSV und einem Umlaut? Der HSV hat nur einen Punkt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteur bei taz.de mit den Schwerpunkten Wissenschaft, Umwelt und Sport.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.