Fehler bei DNA-Analyse: Ingmar Bergman hat Mutter wieder

Eine neue Erbgutanalyse zeigt, dass der Regisseur doch das leibliche Kind seiner Mutter war. Eine DNA-Probe, die das Gegenteil beweisen sollte, war verunreinigt.

Überschätzte Kompetenzen: Ein schwedisches Labor verunreinigte eine DNA-Probe von Ingmar Bergman. Bild: dapd

STOCKHOLM taz | Zwar nicht gleich die ganze moderne Filmgeschichte müsse umgeschrieben werden, konnte man vor einem halben Jahr in internationalen Feuilletons lesen: Aber neben einer Neufassung der Biografien von Ingmar Bergman stehe nun sicher auch eine Neuinterpretation vieler seiner Filme an.

Denn ausgerechnet die Mutter dieses schwedischen Regisseurs, der die Kindheit als Schlüssel seines Künstlertums beschrieben hatte, sollte überhaupt nicht seine leibliche Mutter gewesen sein.

Prompt meldeten sich Angehörige und dem Regisseur zu Lebzeiten angeblich nahe Stehende zu Wort, die "so was eigentlich schon immer vermutet" haben wollten. Und Bergman selbst? Hatte er auch etwas geahnt? Wenn ja, was ist davon in seinen Filmen zu finden? Wenn nein, wie würden diese nun vielleicht ganz anders aussehen?

Ausgelöst hatte diese "Weltsensation" (Dagens Nyheter) eine Briefmarke, die der 2007 verstorbene Bergman 1951 angeleckt haben soll. Veronica Ralston, eine Nichte des Verstorbenen, hatte sie im Familiennachlass auf einem von dem Regisseur geschriebenen Brief gefunden und die DNA analysieren lassen.

Ergebnis der Analyse des - überaus angesehenen - rechtsmedizinischen Instituts RMV in Linköping: Ingmar Bergman und Veronica Alston seien über die mütterliche Linie nicht verwandt. Ergo könne Ingmar nicht Karin Bergmans leibliches Kind sein. Sogleich gab es wilde Spekulationen: Der kleine Ingmar sei bei der Geburt vertauscht oder Karin Bergman für ihr eigenes bei der Geburt gestorbenes Kind "untergeschoben" worden.

Alle diese Mutmaßungen, die auch noch ausreichten, um damit zwei Bücher zu vermarkten, erwiesen sich jetzt als - Laborverunreinigung.

Labormitarbeiter verunreinigte DNA-Probe

Die schwedische Wissenschaftszeitschrift Ny Teknik hat sich die Mühe gemacht, der Geschichte nachzugehen, und veröffentlichte am Mittwoch das Resultat einer von ihr selbst in Auftrag gegebenen Analyse: Die von der Briefmarke gewonnene Mitochondrien-DNA - für eine Zellkern-DNA reichte die Probe nicht aus - stamme ganz sicher nicht von Bergman.

Sie stamme nämlich von einem Angestellten des rechtsmedizinischen Instituts selbst. Mitochondrien, auch Kraftwerke der Zellen genannt, sind winzige Organellen, die eine eigene DNA besitzen.

Die RMV-Genetikerin Gunilla Holmlund bezeichnet es als "unwahrscheinlich", dass die Laborangestellte und Ingmar Bergman das gleiche DNA-Profil haben. Somit spricht auch nichts mehr dagegen, dass Ingmar auch das leibliche Kind von Karin Bergman war.

Wie es zur Kontaminierung der Probe mit der DNA eines Angestellten kam und warum das nicht kontrolliert wurde, kann man sich beim RMV nicht erklären. Die Analyse von Mitochondrien-DNA sei eben noch recht neu und in der Entwicklung. Holmlund: Man habe wohl die eigene Kompetenz beim Umgang mit diesem Typ von Analysen überschätzt.

Verstorbene können sich nicht gegen Gentests wehren

Was dieses und andere Institute allerdings nicht hindert, auf kommerzieller Basis Aufträge von Privatpersonen anzunehmen, die über solche Analysen möglichen Familiengeheimnissen auf die Spur kommen wollen.

Die-Ingmar-Bergman-Stiftung, die den Nachlass des Regisseurs verwaltet, hat weiteren Schnüffeleien nun von vorneherein einen Riegel vorgeschoben. Dieser Nachlass stehe allein der Forschung über Bergmans künstlerisches Schaffen offen und nicht irgendwelchen Mutterschaftstests, gab sie bekannt.

Der Fall hat auch eine Debatte ausgelöst, inwieweit es zulässig sein soll, nach dem Ableben eines Menschen Haarsträhnen oder von ihm hinterlassene Speichelreste auf Briefmarken zu privaten Zwecken oder aus Sensationsgier DNA-Analysen zu unterziehen.

Mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte dürfte das schwerlich zu vereinbaren sein. Die Verstorbenen selbst können sich nicht mehr wehren. Der Gesetzgeber sollte hier Grenzen ziehen.

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