Aktivistin über umstrittenes Uni-Seminar: "Kein Tierversuch ist sinnvoll"

Nach Protesten stoppt die Uni Ulm einen Näh- und Operationskurs an lebenden Schweinen. Tierschützerin Corina Gericke spricht über die Aktion und warum sie Tierversuche ablehnt.

Schweine leben besser, wenn man sie lässt. Bild: Imago / Roland Mühlanger

taz: Frau Gericke, ist es nicht sinnvoll, angehende Chirurgen erstmal an Schweinen üben zu lassen, bevor man sie an Menschen lässt?

Corina Gericke: Nein, gewiss nicht! Von den ethischen Gründen abgesehen, ist das schon deshalb unsinnig, weil das Schwein eine ganz andere Anatomie hat. Die einzige vernünftige Art, chirurgische Eingriffe zu erlernen, ist die Übung an lebensechten Modellen, die heute schon sehr weit entwickelt sind, gefolgt von der Assistenz bei einem erfahrenen Chirurgen. Ich möchte mich nicht von einem Arzt operieren lassen, der nur an Tieren geübt hat.

War der Näh- und Operationskurs in Ulm eine Ausnahme oder sind Tierversuche die übliche Praxis in der Ärzteausbildung?

Es gibt verschiedene Übungen an Tieren, die auch an anderen Universitäten durchgeführt werden. Aber der Kurs in Ulm war der einzige seiner Art. Das gilt jedoch nur für das Studium. Bei der Fortbildung von bereits ausgebildeten Ärzten gibt es so etwas immer noch. In Ulm kam aber dazu, dass unerfahrene Studenten an den Tieren üben sollten.

Sind weitere Aktionen wie die gegen den Kurs in Ulm geplant?

Ja, solche Aktionen sind durchaus wieder möglich. Wir wissen, dass es einige Firmen gibt, die solche Kurse aus rein kommerziellen Gründen anbieten. Diese Firmen verdienen damit viel Geld und lassen sich schwerer unter Druck setzen als eine Universität, die ja eine öffentliche Einrichtung ist.

Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da, was Tierversuche angeht?

Wenn man Ausbildung und Forschung zusammenzählt, liegt Deutschland beim Verbrauch von Tieren im Labor nach Frankreich und Großbritannien an dritter Stelle in der EU.

Steht die mediale Aufmerksamkeit, die Tierversuche bekommen, nicht im Missverhältnis zu den abermillionen Tieren, die für die Nahrungsmittelproduktion gequält werden?

Im Gegenteil! Tierversuche werden in den Medien oft falsch oder positiv dargestellt. Gleichzeitig erlebt der Vegetarismus eine Renaissance und wird derzeit stark thematisiert. Man denke nur an die Proteste gegen die zahlreichen neuen Schweine- und Hähnchenmastanlagen, die große mediale Aufmerksamkeit bekommen. Außerdem kann ein Unrecht nicht mit einem anderen aufgewogen werden. Wenn in Deutschland 60 Millionen Schweine pro Jahr für die Nahrungsmittelproduktion getötet werden und an der Uni Ulm vielleicht 20 bis 30 Tiere, wirkt das zunächst wie ein verschwindend geringer Teil. Es geht hier aber auch um ein Symbol, wie wir mit Tieren in unserer Gesellschaft umgehen.

Gibt es Ausnahmen, bei denen Sie sagen: Ja, hier sind Tierversuche sinnvoll?

Nein, es gibt keine Ausnahmen! Weder aus ethischen noch aus wissenschaftlichen Gründen sind Tierversuche in irgendeiner Form zu rechtfertigen. Warum sie dennoch durchgeführt werden, hat kommerzielle und dogmatische Gründe. Als wissenschaftlich gilt nur, was in Tierversuchen erprobt wurde. Wer das schon seine ganze Karriere lang so gemacht hat, hat kein Interesse, das zu ändern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.