Die Wahrheit: Einfältige Panzer

Wunderwelt: Was können Schildkröten eigentlich außer überleben?

Erfolgskonzept der Schildkröte: Problemlösung durch Kopfeinziehen.

Statistisch gesehen gibt es mehr entlaufene Schildkröten als entlaufene Hunde. Das liegt daran, dass die Besitzer von Hunden, Katzen und Hasen wissen, dass ihr Haustier flink ist. Deshalb haben sie ein Auge auf ihren Zögling.

Schildkröten hingegen traut niemand die Entfernung von der Truppe zu. In Sachen Fluchtfähigkeit stellt sie man sie gern auf eine Stufe mit Kakteen oder frisch verstorbenen Meerschweinchen. Das nutzen sie, ohne zu zögern, aus.

Doch von wegen "Survival of the fittest"! Schildkröten sind plump, langsam und gucken immer wie einer dieser Kollegen, denen man bestimmte Aufgaben oder Probleme gar nicht erst zu erklären versucht. Bei allem Respekt: Fit geht anders.

Doch mit dieser Mischung aus harmlos und überfordert halten sie sich inzwischen länger auf der Erde als jede andere Spezies. Probleme löst die Schildkröte dadurch, dass sie den Kopf einzieht und erst wieder rausstreckt, wenn sich das Problem was anderes zum Fressen gesucht hat.

Auf diese Weise hat sie den kraftvollen Tyrannosaurus Rex genauso überlebt wie manch flinken Urfisch oder Frühvogel, der uns nur von Ausgrabungen und Rekonstruktionen bekannt ist. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass sie auch uns Menschen überleben wird.

Eine Bekannte, Mitte vierzig, lebt mit einer Dosenschildkröte zusammen, die sie zu ihrer Einschulung geschenkt bekommen hat. "Wenn Mama einmal nicht mehr lebt, ist sie diejenige, die am meisten über mich weiß!", sagt sie.

Im Allgemeinen scheinen Dosenschildkröten angenehme Mitbewohner zu sein. Sie sind kaum handtellergroß, schlafen viel und fressen klaglos so ziemlich alles, was man ihnen vorsetzt.

Aber sie sterben nicht, was, solange sich ihr Besitzer im Kindesalter befindet, grundsätzlich zu begrüßen ist. Denn Kinder, die ihr Haustier begraben müssen, sind traurige Kinder. Später, im Erwachsenenalter, sieht es etwas anders aus. Spätestens dann, wenn man auf die Frage "Haben Sie Kinder?" antworten muss: "Nein. Ich habe eine Schildkröte."

Die Bekannte berichtet von folgendem Erlebnis: Einmal sei sie von einem nicht unattraktiven Mann umworben worden. Nach einiger Zeit habe sie ihn schließlich das erste Mal mit zu sich nach Hause genommen. Es sei auch alles ganz okay gewesen.

Beim Frühstück habe sie ihm wunschgemäß einen großen Teller mit Milch gefüllt und dazu Müsli bereitgestellt. Er habe das Müsli in die Milch geschüttet und den Löffel ergriffen, um beides miteinander zu verrühren. In diesem Moment habe der Kopf der Schildkröte die Müsli-Milch-Oberfläche durchstoßen und ihn eindringlich gemustert. "Der war natürlich weg!", endet der Bericht.

Selbstverständlich hält jeder diese Geschichte für ausgedacht. Es wird sogar bezweifelt, dass es diesen Mann wirklich gegeben hat. Eine mehr oder weniger geschickt konstruierte Erklärung für den Umstand, allein leben zu wollen.

Aber ein Quäntchen Wahrheit steckt auch in dieser Lügengeschichte: Selbst Schildkröten entgeht es nicht, wenn sie plötzlich einen Konkurrenten neben sich haben. Und dann stellt sich die immergleiche Frage: Er oder ich. Nur so wird man 220 Millionen Jahre alt.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.