Streit um ein ambivalentes Denkmal: Krieg und Frieden

Im niedersächsischen Oldenburg vermisst mancher einen ominösen Friedensengel, der in den 1940ern von einer Säule verschwand. Mit Frieden hatte das Denkmal aber nie zu tun.

Sieht an der Spitze merkwürdig stumpf aus: figurenlose Säule auf dem Oldenburger Friedensplatz. Bild: Maik Nolte

OLDENBURG taz |Kahl und nackt steht sie da, die Säule aus schwedischem Granit. Friedenssäule heißt sie, ragt auf dem direkt an der Innenstadt gelegenen Friedensplatz in die Höhe - und sieht an der Spitze merkwürdig stumpf aus. Dort oben fehlt tatsächlich etwas, eine Figur nämlich, und manche Oldenburger würden ihn gerne zurückhaben, ihren sogenannten Friedensengel. Auch die örtliche Tageszeitung steigt immer wieder mal auf das Thema ein, auch abseits des Sommerlochs. Tatsächlich handelte es sich bei der verschwundenen Statue allerdings um Victoria, die römische Siegesgöttin. Soviel zum Frieden.

"Palme des Friedens"

1878 war das Denkmal fertiggestellt worden, und wie alle zu jener Zeit errichteten derartigen Monumente erinnerte es an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. An den Seiten des Sockels sind die Namen gefallener Soldaten eingemeißelt, dazu der Spruch "Sich errangen sie den Lorbeerkranz, dem Vaterlande die Palme des Friedens und das geeinte deutsche Reich".

Dementsprechend war das Bauwerk seinerzeit offenbar auch unter einer Bezeichnung geläufig, die die wahre Intention dahinter nicht verhehlte: "Das Krieger-Denkmal zu Oldenburg" lautete etwa der Titel eines Aufsatzes von 1881, geschrieben von jenem Geistlichen, der bei der Übergabe des Denkmals drei Jahre zuvor die Weiherede gehalten hatte.

Bei der Gelegenheit war das Denkmal zwar offiziell in "Friedenssäule" umbenannt worden, die Figur an ihrer Spitze blieb bei aller Kreidefresserei allerdings die, die sie von Anfang an war: Victoria nämlich, die mit einem Engel bestenfalls die Flügel gemeinsam hatte. Der Frieden, den sie symbolisierte, war ein mit Waffengewalt erreichter.

In der Eröffnungsrede gab sich der damalige Oberbürgermeister dem Zeitgeist entsprechend schwülstig: Das Denkmal möge stehen "zum ewigen Gedächtnis an jüngst vergangene große Zeiten, an die im Dienste ihres Vaterlandes ruhmreich dahingesunkenen Söhne und den von ihnen erkämpften glorreichen Frieden". Frieden durch Sieg. Die Victoria, die auf der Säule stand, setzte sich selbst einen Lorbeerkranz auf das Haupt.

Im Krieg eingeschmolzen

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Victoria demontiert und eingeschmolzen - die Wehrmacht brauchte das Metall. Eigentlich ein passendes Ende für eine kriegerische Göttin. Aber mit der Figur scheint auch das Bewusstsein über die ursprüngliche Bedeutung des Denkmals weitgehend verloren gegangen zu sein.

In der Stadt jedenfalls ist in diesem Zusammenhang stets vom "Friedensengel" die Rede. Alle paar Jahre wird eine neue Diskussion über dessen "Rückkehr" angestoßen, und vor einem Vierteljahrhundert platzierte ein örtlicher CDU-Politiker sogar mal einen angemalten Styroporengel dort oben auf der Säule.

Zähe Forderung

Zwar winken Historiker angesichts solcher Forderungen ab, aber die Umwidmung zur Friedensikone ist aus dem Oldenburger Bewusstsein offenbar nicht mehr herauszubekommen. So wird mittlerweile selbst in Medienberichten, die sich um einen ganz anderen, nicht weniger skurrilen Denkmalstreit drehen - dem um die Aufstellung eines Reiterstandbilds für den letzten Oldenburger Grafen -, ganz selbstverständlich auf den "Engel" verwiesen.

Einmal im Jahr, am Volkstrauertag, versammeln sich Friedensaktivisten und schmücken die Säule mit Botschaften wie: "Die Kinder bringt der Klapperstorch und den Frieden das Militär". Immerhin, sie scheinen um die ambivalente Aussagekraft des Denkmals zu wissen. Aber ihre Schilder sind nach ein paar Stunden, bestenfalls Tagen wieder verschwunden - und dann ist es wieder eine Frage der Zeit, bis wieder irgendwer wieder den "Engel" zurück will.

Übrigens: Einmal schlug eine Frau in einem Leserbrief an die Nordwest-Zeitung vor, statt der alten Figur doch eine Friedenstaube dort zu platzieren. Ernsthaft diskutiert wurde das bislang aber nicht. Dabei ergäbe diese Lösung Sinn: Die allgemein etablierte Symbolik würde nicht in Frage gestellt, auch die Oldenburger Universität schmückt sich mit dem Tier - und Federn und Flügel hat so eine Taube schließlich auch.

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