Ermittlungen gegen Nazi-Netzwerk: Helfer des Terrors

Ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer des Zwickauer Trios ist verhaftet. Er soll ihnen Wohnungen überlassen haben. Bundesweit protestierten Tausende gegen rechte Gewalt.

Rechte Strukturen im beschaulichen Erzgebirge. Bild: dapd

BERLIN taz | Ermittler haben am Wochenende einen weiteren mutmaßlichen Unterstützer der Zwickauer Terrorzelle festgenommen. Der im Erzgebirgskreis lebende Matthias D. sei "dringend verdächtig, in zwei Fällen die terroristische Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) unterstützt zu haben", teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Der 36-Jährige, der am Sonntagmorgen von einem Sondereinsatzkommando des Landeskriminalamts Sachsen verhaftet wurde, soll Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe und Uwe Mundlos zwei Wohnungen in Zwickau überlassen haben. Dadurch habe er der Gruppe dabei geholfen, "ein Leben unter falscher Identität zu führen und unentdeckt Terroranschläge verüben zu können".

Außerdem ließ die Bundesanwaltschaft drei Wohnungen im Erzgebirgskreis durchsuchen; neben der von Matthias D. auch die von Mandy S., einer weiteren möglichen Unterstützerin. Damit hat sich Zahl der Beschuldigten im Ermittlungsverfahren gegen die Zwickauer Zelle hat auf sieben erhöht. Vor Matthias D. wurden bereits Holger G., Andre E. und der Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben festgenommen.

Fluchthilfe nach Chemnitz

Der Name von Mandy S. tauchte schon früh bei den Ermittlungen auf. Ihren Ausweis nutzte Zschäpe bei ihrem Leben im Untergrund. Jetzt wirft das Bundeskriminalamt der Friseurin vor, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos nach deren Flucht im Februar 1998 geholfen zu haben.

Mehrere Monate soll Mandy S. das Trio in der Wohnung ihres damaligen Freundes Max B. in Chemnitz untergebracht haben. Dieser will nicht gewusst haben, wen seine Freundin im Juli und August jenes Jahres bei ihm einquartierte. Allerdings soll sich Böhnhardt bei den Untermietverträgen, die er mit Mathias D. für die Wohnungen in Zwickau abschloss, des Namens von Max B. bedient haben.

Vor über zehn Jahren war Mandy S. in der Neonazi-Gruppe "Brigade Ost" aus Johanngeorgenstadt aktiv. Auch soll sie enge Kontakte zur "Weißen Bruderschaft Erzgebirge" gepflegt haben, die mit der seit 2000 in Deutschland verbotenen "Blood and Honour"-Bewegung verbunden war.

Zschäpes Spur führte auch zu NPD-Kader

In der "Brigade Ost" sowie der "Bruderschaft" sollen die inhaftierten Matthias D. und André E. aktiv gewesen sein. Zschäpe und Mandy S. sollen sich schon lange gekannt haben, heißt es aus Sicherheitskreisen.

Mehr und mehr interessieren sich die Ermittler auch für Patrick Wieschke, dem "Bundesorganisationsleiter" im NPD-Vorstand. Der frühere Kader des "Thüringer Heimatschutzes", in dem das Zwickauer Trio vor dem Abtauchen aktiv war, soll Beate Zschäpe in der Nacht zum 3. November in Eisenach beherbergt haben - am Tag bevor Mundlos und Böhnhardt ihren letzten Banküberfall verübten.

Wieschke bestreitet das. "Den Abend habe ich mit meiner Lebensgefährtin verbracht", sagte er der taz. "Ich habe Frau Zschäpe Mitte der Neunzigerjahre mal gesehen, aber nie ein Wort mit ihr gesprochen", behauptet Wieschke, der wegen Anstiftung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion bei einem türkischen Imbiss verurteilt ist. Polizeihunde sollen in seiner Wohnung wegen Zschäpe angeschlagen haben.

Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in mehreren Städten

In Köln, wo 2001 und 2004 zwei der NSU zugerechnete Sprengstoffanschläge verübt wurden, demonstrierten unterdessen am Samstag 50 Neonazis unter dem Motto "Gegen Polizeirepression und Medienhetze - Volkstreue und Vaterlandsliebe lassen sich nicht kriminalisieren!" An den beiden Gegendemonstrationenen beteiligten sich mehrere hundert Menschen.

Auch andernorts demonstrierten anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte mehrere tausend Menschen gegen Rechtsextremismus. In Kassel bildeten 3.500 Demonstranten eine Menschenkette vom Rathaus in die Nordstadt, wo 2006 ein türkischstämmiger Besitzer eines Internetcafés ermordet worden war.

In Greifswald protestierten etwa 1.000 Menschen gegen Rassismus und in Berlin einige hundert. Mit einer Lichterkette gedachten rund 2.000 Bürger in Nürnberg der Opfer des Rechtsterrorismus.

Unterdessen berichtet der Spiegel, dass in der NPD 130 V-Leute des Verfassungsschutzes tätig seien. Von der Existenz der Zwickauer Terrorzelle will keiner etwas bemerkt haben.

***

Die Nazi-Bande UWE MUNDLOS: Professorensohn Mundlos (38) gilt als intellektueller Kopf der Terrorzelle. Es heißt, er las gern und diskutierte viel. Auf seinem Schreibtisch soll ein selbst gezeichnetes Porträt von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß gestanden haben. Am 4. November tötete er sich nach Angaben der Polizei selbst.

UWE BÖHNHARDT: Der 34-Jährige wird als Waffennarr bezeichnet, der schnell und gerne zuschlug. Er wird als Handlanger von Mundlos beschrieben. Auch er wird am 4. November tot im ausgebrannten Wohnmobil gefunden, wahrscheinlich von Mundlos erschossen.

BEATE ZSCHÄPE: Die einzige Überlebende des Trios. Die 36 Jahre alte Frau soll die stille, aber gewaltbereite Frau im Hintergrund der Gruppe gewesen sein. Die gelernte Gärtnerin wuchs alleine bei ihrer Mutter auf. Sie soll zunächst eine Beziehung mit Mundlos, dann mit Böhnhardt gehabt haben. Nach dem Tod ihrer beiden Komplizen flog die gemeinsame Wohnung in Zwickau in die Luft. Zschäpe stellte sich wenig später der Polizei. Bislang schweigt sie.

HOLGER G.: In den neunziger Jahren war er in seiner Heimat Jena mit dem Trio befreundet und in der dortigen Neonazi-Szene aktiv. Später zog er nach Niedersachsen. Der 37-Jährige räumte nach seiner Festnahme Mitte November ein, dem Trio seinen Führerschein und seinen Reisepass überlassen zu haben. Zudem soll er mehrfach Wohnmobile für die Gruppe angemietet haben.

ANDRÉ E.: Der 32-Jährige aus Sachsen soll ein Propagandavideo für die mutmaßlichen Terroristen angefertigt und darin deren menschenverachtende Morde verherrlicht haben. Er wurde am 24. November in Brandenburg bei seinem Zwillingsbruder gefasst.

RALF WOHLLEBEN: Der ehemalige hohe NPD-Funktionär gilt als eine der zentralen Figuren in Thüringens Neonazi-Szene. 1999 trat er in die NPD ein, wurde Kreis- und stellvertretender Landesvorsitzender in Thüringen. Der Informatiker wird verdächtigt, dem Neonazi-Trio eine Waffe und Munition besorgt zu haben, ihm bei der Flucht in den Untergrund geholfen und es finanziell unterstützt zu haben. Ende November wurde er festgenommen.

MATTHIAS D.: Der 36-Jährige aus Sachsen soll für das Trio zwei Wohnungen in Zwickau angemietet haben. (dpa)

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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