Kommentar Unruhen in Kasachstan: Ignorieren, verbieten, verfolgen

Kasachstan hat auf den seit Mai andauernden Arbeiterprotest so reagiert, wie ein autoritäres Regime wohl nicht anders kann. Jetzt muss eine Erkenntnis folgen.

Die Toten und Verletzten in Westkasachstan sind unfreiwillige Zeugen einer unübersehbaren Wahrheit: Autoritäre Regime können innergesellschaftliche Interessengegensätze nicht friedlich lösen. In Kasachstan erweist sich die Regierung sogar als unfähig, einen normalen Betriebskonflikt zu moderieren. Stattdessen treibt es ihn zur Eskalation. Autoritäres Regierungshandeln ist also eine Gefahr für die Stabilität.

Der seit Mai anhaltende Arbeiterkonflikt in dem rohstoffreichen zentralasiatischen Land war eigentlich ein Zeichen der Modernität. Die Menschen, die in Aktau und Schanaozen die Arbeit niederlegten, wollten keine Regierung stürzen oder Besitzverhältnisse infrage stellen, auch nagten sie nicht am Hungertuch. Sie wollten einfach nur höhere Löhne und mehr Rechte. Nicht mehr und nicht weniger.

Kasachstan gehört zu den wohlhabenden Staaten Zentralasiens. Es gibt eine breite Mittelschicht. Das Land wird aufgrund der gewaltigen Vorkommen an Gas, Öl und Seltenen Erden von der EU und Deutschland bisher als stabiler Partner in Zentralasien gesehen.

Nicht zuletzt aufgrund des hohen russischstämmigen Bevölkerungsanteils und der in der Sowjetunion sozialisierten Kasachen galt es als moderner Partner. Galt. Denn der kasachische Staat und der mit diesem verbundene Energiekonzern "Kazmunaigas" haben auf den seit Mai andauernden Arbeiterprotest so reagiert, wie autoritäres Denken wohl nicht anders kann: mit Ignorieren, mit Verbieten und mit Verfolgen.

Sollte es jetzt noch gelingen, einen Flächenbrand zu verhindern, dann wäre das die letzte Warnung für das Regime. Es muss begreifen, dass Demokratisierung das einzige Mittel ist, um die Gesellschaft krisenfest zu machen. Irgendwelche dritte Kräfte zu beschuldigen hilft nicht: Provozieren kann man nur dort, wo der Boden dazu bereitet wurde. Schon aus Eigeninteresse sollten die EU und Deutschland dem kasachischen Staat bei dieser Erkenntnis auf die Sprünge helfen.

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