WIE SIND WIR DENN DRAUF?
: Untenrum Glatze

Oma japst und ich bin schuld. „Setz dich und hol Luft!“ Ich presse das Telefon ans Ohr und lausche ihrer Atmung, die erfreulicherweise wieder regelmäßiger wird. Oma geht’s besser. Unbeanwortet aber bleibt meine Frage, was sie eigentlich unter ihrem Schlüpfer trägt.

Die Freundinnen hingegen sprechen offen über Genitalgekräusel, peinlich berührt ist keine. „Naturwuchs ist so Sechziger“, nickt das Sofakollektiv. Es ist sich einig: Haare gehören auf den Kopf, bestenfalls noch auf die Zähne, aber nicht unter Achseln oder in den Schoß. Mit dieser Meinung sind sie nicht allein: Rund 88 Prozent der weiblichen und 67 Prozent der männlichen Studenten sagen der „Fehlkonstruktion im Intimbereich“ den Kampf an – das behauptet jedenfalls eine Studie.

Gekürzter Rasen, Restbestand oder gleich blitzeblank? „Ganz oder gar nicht: Untenrum geht nur poliert“, nickt die Lieblingsfreundin. Diesen Trend bestätigt eine, die es wissen muss: Stephanie von Flotow arbeitet für ein Waxing-Unternehmen. „Der Renner unter den Intimfrisuren ist Bikini Complete.“ Das ist die Glatze für untenrum. Wer es weniger radikal will, der wählt den Irokesen – in Fachkreisen auch Landing Strip genannt. Schön gerade muss der Streifen sein, alles andere wirke stümperhaft, sagt die Expertin.

In der Mittagspause eine Umfrage im Kollegenkreis. Auffallend hier: Am lautesten schreien die Herren. Pfeile und Herzen sehen sie gern, Gefärbtes schrecke ab. „Meine Freundin sollte meine Initialen tragen“, sagt einer. „Wer das verlangt, der muss den gleichen Standard vorweisen“, kontert die Kollegin. Sie weiß: Solche Extrawünsche verlangen Zeit und gelegentlich auch Geld. Depiladoras heißen die Personen, die fremde Körper von vermeintlich lästigem Wuchs befreien. Dreißig bis vierzig Euro kostet der totale Haarverlust. Schmerzen gibt’s gratis.

Sexualisierung, Unterwerfung, Pornografisierung: Das Intimste wird schnell politisch. Und trotzdem wird munter weiter gestutzt und gewachst. Weil es sich einfach gut anfühlt?

Später telefoniere ich wieder mit Oma. Wir meckern über das Wetter und tauschen Backrezepte aus. Ich notiere Mengenangaben, da flüstert sie plötzlich: „Sie fallen endlich von allein aus.“ Übersetzt: Auch Oma zieht blank. Von wegen Generationenfrage. ANNE JULIANE WIRTH; Foto: ARCHIV