CALL A REPORTER
: Zauberer in der Schulküche

MITTE Der Koch Raik Weber schafft etwas nahezu Unmögliches: An einer Grundschule in Mitte kocht er bio – pro Kind für einen Euro

Raik?“ Das kleine, braunhaarige Mädchen guckt schüchtern zu Boden, während sie den Koch anspricht. „Ja?“, antwortet Chefkoch Raik Weber. „Die Fischstäbchen haben lecker geschmeckt.“ „Danke“, freut sich Weber.

Seit drei Jahren arbeitet Weber in der Schulkantine der Freien Schule am Mauerpark, in der Wolliner Straße in Mitte. Auf den ersten Blick beeindruckt die Grundschule kaum. Die braunen Fassaden sind mit Graffiti bemalt, der Spielplatz vor der Schule wirkt im Winter trostlos. Doch in Zeiten von Lebensmittelskandalen schafft der 49-Jährige Weber, auf den uns ein Leser aufmerksam gemacht hat, etwas Bemerkenswertes: „Ich koche 100 Prozent bio und gebe pro Kind nur etwa einen Euro aus.“

Einen Euro? Das klingt zu billig. Erst im Herbst stellte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) eine Studie vor, laut der ein ausgewogenes Mittagessen 3,25 Euro kosten müsse – 1,25 allein die Lebensmittel. Aus diesem Grund erhöhte der Senat jetzt das Budget fürs Schulessen – in dieser Grundschule kommt davon aber wenig an. „Die Erhöhung des Beitrags geht auch zu Lasten der Eltern“, erklärt Weber. „Wir haben das Budget deswegen so belassen.“ Die Eltern, Träger des Vereins Freies Lernen in Berlin, der die Schule finanziert, seien finanziell ohnehin stark belastet.

Den Beschluss, dass die Schulküche Bioprodukte enthalten soll, fassten die Eltern trotzdem. Um Geld zu sparen, kocht Weber meist vegetarisch. Er wolle die Kinder nicht zum Vegetarismus zwingen, „aber Biofleisch und -fisch sind sehr teuer“, so Weber. „Deswegen überlege ich mir, womit ich Fleisch ersetzen kann.“ Auch Fertigprodukte meidet er, wo er kann: „Ich koche fast alles selbst.“

Weber arbeitet seit drei Jahren in der Schule. Er ist ausgebildeter Koch, war jahrelang in der Gastronomie. Stolz präsentiert er täglich Fotos von seinem selbst zubereiteten Schulessen im Internet. Die Kinder scheuen sich nicht, das Essen auch mal zu kritisieren – was es für Weber nicht immer einfach macht. „Einerseits will ich ihnen ihr Lieblingsessen kochen“, sagt Weber. „Andererseits will ich ihnen aber auch Neues zeigen.“ Wenn es nach den Kindern ginge, gäbe es vermutlich jeden Tag Pizza und Flammkuchen. „Das sind immer Kracher“, so Weber. „Da bleibt nichts übrig.“

Die Kinder entscheiden allerdings nicht nur mit – sie helfen auch kochen. „Ich biete montags oft einen Werkstatttag an“, sagt Weber. Ein Lehrer begleitet das pädagogisch. Allein wäre das Weber zu viel: „Ich muss ja auch noch produzieren. Bei mehr als zwei Kindern wird das schon schwierig.“ Ein Junge stolpert zu Weber und fragt ihn, ob er morgen mitkochen dürfe. Weber weiß noch nicht genau. „Mal sehen“, sagt er. IGOR MITCHNIK

■ Probleme ohne Lösung? Helden ohne Applaus? Wir kommen vorbei und schreiben es auf: callareporter@taz.de