Die Gefahr eines Krieges in Sri Lanka wächst

Tamilen-Rebellen drohen der Regierung. Präsident erneuert Verhandlungsangebot, besteht aber auf Einheitsstaat

WIEN taz ■ Mit einer unverhohlenen Kriegsdrohung setzt die tamilische Separatistenorganisation LTTE Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse unter Druck. „Wenn die neue Regierung unseren dringenden Appell zurückweist, eine harte Position einnimmt und auf Verzögerung setzt, werden wir nächstes Jahr unseren Kampf für die nationale Befreiung intensivieren“, verkündete LTTE-Chef Velupillai Prabhakaran am Sonntag.

Der Spielraum des Mitte November gewählten Staatschefs wird dadurch empfindlich eingeschränkt. Nach Ansicht lokaler Beobachter hat er bis Jahresende Zeit, sich von seinen singhalesisch-nationalistischen Koalitionspartnern freizuspielen. Sonst könnte im Januar der bewaffnete Kampf wieder aufflammen.

Schon vor einem Jahr, so Prabhakaran, sei man zum Kampf entschlossen gewesen. Der Tsunami vom 26. Dezember habe dann die Versorgung der Opfer in den Vordergrund rücken lassen. Eine Einigung mit Präsidentin Chandrika Kumaratunga über einen Mechanismus zur gerechten Verteilung ausländischer Hilfe habe die Rebellen optimistisch gestimmt, dass eine politische Regelung des ethnischen Konflikts möglich sei.

Diese Vereinbarung hatten jene radikalen Kräften torpediert, die den neuen Präsidenten an die Macht brachten. Ohne auf das Ultimatum einzugehen, wiederholte Rajapakse gestern sein Verhandlungsangebot an die LTTE, rückte aber nicht von seinem Konzept des singhalesisch dominierten Einheitsstaates ab.

Auch die Auswahl der wichtigsten Kabinettsmitglieder können die Tamil Tigers nicht als vertrauensbildende Maßnahme verstehen. Premier Ratnasiri Wickremanayake gilt als Hardliner. Der neue Friedensbeauftragte John Guneratne ist ein politisches Leichtgewicht. Viel war spekuliert worden, dass Velupillai Prabhakaran gleich den Waffenstillstand aufkündigen und die Gründung eines unabhängigen Tamilenstaates ausrufen werde. Am 27. November, an dem des ersten von Regierungssoldaten getöteten LTTE-Kämpfers gedacht wird, gibt er die Devise für das nächste Jahr aus. Diesmal fanden die Feiern am Elefantenpass statt. Die schmale Landbrücke, die die Halbinsel Jaffna im äußersten Norden mit dem Rest des Landes verbindet, war Schauplatz zahlreicher Schlachten. Sie bildet heute die nördliche Grenze jenes Gebietes, das die LTTE seit dem Waffenstillstandsabkommen 2002 provisorisch verwaltet.

Den europäischen Regierungen warf Prabhakaran vor, durch ihr Einreiseverbot für LTTE-Vertreter die kompromisslose Haltung der Regierung zu unterstützen. Rajapakse kritisierte die norwegischen Vermittler, sie seien zugunsten der Tamilen voreingenommen. Viel wird daher vom Verhandlungsgeschick des Norwegers Erik Solheim abhängen, der gerade in Sri Lanka angekommen ist. RALF LEONHARD