Schwarz-gelbe Griechenland-Zweifel: Tabuwort Insolvenz

Ist Griechenland ein Fass ohne Boden? In der schwarz-gelben Koalition wächst der Zweifel, ob die Milliarden helfen. Die Situation der griechischen Wirtschaft ist desaströs.

Herr Rösler spricht von Insolvenz, Frau Merkel fängt auch langsam an zu überlegen und Herr Westerwelle? Der schaut zu. Bild: reuters

BERLIN taz | Als Erster sprach der FDP-Chef das Tabuwort aus. Vor fünf Monaten erklärte Philipp Rösler, notfalls müsse auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands in Betracht gezogen werden. Prompt erntete er heftigen Widerspruch in der Koalition, sogar die Kanzlerin persönlich rüffelte Rösler. Eine Insolvenz Griechenlands galt – ebenso wie ein Ausscheiden des Staates aus dem Euroraum – als inakzeptabel.

Offiziell ist das auch heute noch so. Der Bundestag will am 27. Februar in einer Sondersitzung das zweite Griechenland-Paket beschließen, das 130 Milliarden Euro schwer ist – falls die griechische Regierung die Sparvorgaben der EU-Finanzminister umsetzt.

Doch in der Koalition wächst die Skepsis, ob die Athener Regierung ihre Zusagen einhält. "Es gibt bei vielen Abgeordneten erhebliche Zweifel, ob Griechenland in der Lage ist, die Vorgaben zu erfüllen", sagte der Unions-Haushälter Norbert Barthle (CDU).

Kanzlerin Angela Merkel informierte am Morgen erst die ChefInnen aller Fraktionen über die Brüsseler Beschlüsse. Dann stellte sie sich den Fragen ihrer eigenen Leute. Den heiklen Begriff Insolvenz nahm sie in der Fraktionssitzung laut Teilnehmern nicht in den Mund. Sie machte aber deutlich, dass sie sie mit aller Macht vermeiden will. Man könne leicht in eine Situation kommen, "die man nicht mehr beherrschen kann", soll Merkel gesagt haben.

Staatscrash mit Dominoeffekt

Bei einem Staatscrash würden Banken kollabieren und die Märkte panisch Zinsen für andere Länder wie Spanien oder Portugal hochtreiben. Was letztlich, so Merkels Kalkül, teurer für die EU wäre als weitere Hilfen für Griechenland.

Bisher rebellierten innerhalb der Koalition nur wenige Kritiker gegen diese Linie – etwa der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler, der in seiner Partei den Mitgliederentscheid über den Euro angestoßen hatte. Doch nun wächst auch bei anderen der Zweifel. Schäffler drückt es so aus: "Selbst diejenigen, die vor zwei Jahren gesagt haben, die Griechen schaffen das, sehen jetzt viele Fragezeichen."

Viele Koalitionäre glauben nicht mehr, dass es mit den 130 Milliarden Euro getan ist. Zumal EU-Währungskommissar Olli Rehn bereits deutlich mehr veranschlagt hatte. "Man geht davon aus, dass dies sowieso nötig ist", sagt ein Unions-Mann. Die Mehrheit von Schwarz-Gelb wäre durch eine solche Aufstockung kaum in ernsthafter Gefahr. Für vernünftige Lösungen habe man die noch immer hingekriegt, sagen die, die es wissen müssen. Doch klar ist auch: Es wäre wieder einmal eine Festlegung, die Merkel kassieren müsste.

Entscheidend wird aus Sicht der Abgeordneten die langfristige Perspektive. Die Situation der griechischen Wirtschaft ist desaströs, das Defizit ist selbst mit härtesten Sparvorgaben nicht in den Griff zu kriegen, weil Einnahmen fehlen. Vielen schwant, dass es mit dem – ursprünglich nicht geplanten – Hilfspaket II nicht getan ist.

Angst vor Griechenland III, IV, V

Also Griechenland III, IV und V? Das schreckt längst nicht mehr nur altbekannte Kritiker wie Schäffler. Inzwischen denken auch Leute, die hinter der Kanzlerin standen, laut über Ausstiegsszenarien nach. Falls Griechenland nach einem Austritt aus dem Euroraum zur Drachme zurückkehre, so die Überlegung mancher, könnte die Regierung ihre eigene Währung abwerten. Die Wirtschaft würde schneller in Schwung kommen. Bei einem späteren Wiedereintritt könnten dann alle Bereiche einer genauen Prüfung unterzogen werden.

Noch wird dies nicht offen debattiert. Aber wenn sich die Krise weiter zuspitzt, wird die Kanzlerin nicht nur in Europa stärker für ihren Kurs kämpfen müssen – sondern auch in der Koalition.

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