Regionale Erzeuger: Ist alles von hier

Ein junger Landwirt in Bernau vermarktet Produkte Brandenburger Bauern. Das Geschäft ist knapp kalkuliert

Der Hof liegt am Ortsrand, die Produzenten sind nah. Bild: AP

Wurst muss nicht immer bio sein, findet Hans-Christoph Peters. "Wichtig ist, dass man weiß, wo sie herkommt." Deswegen gibt es im "Höfeladen" des jungen Landwirts eine kleine Geschichte zu jedem Produkt, ein Bild oder einen handgeschriebenen Hinweis auf weißem Karton, woher die Ware stammt.

Peters Vision ist es, dass der Weg vom Erzeuger zum Kunden kurz ist, nachvollziehbar bleibt und glaubwürdig. Weil es vom Großstädter allerdings viel verlangt ist, für den täglichen Bedarf die Bauernhöfe im Umland abzuklappern, holt der 29-Jährige die Hofwaren an den Stadtrand - so die Idee, mit der sich Peters vor einem halben Jahr selbstständig gemacht hat. Im "Höfeladen" in der Bernauer Innenstadt gibt es nur Lebensmittel aus Brandenburg.

Die Auslagen in den großen Fensterscheiben hat Peters liebevoll mit Kürbissen und Honiggläsern dekoriert. Vor dem Eingang preist ein Aufsteller die aktuellen Angebote an: geräucherte Gänsebrust von Bauer Peters, Highlandfleisch vom Melchhof. Das Geschäft liegt fußläufig zum Bahnhof, auf halbem Weg zum historischen Stadtkern.

Peters hat für den Laden seine Ersparnisse zusammengekratzt und einen Kredit der KfW-Bank bekommen, seine Mutter hat ihr Mögliches beigesteuert. Er beschäftigt zwei Teilzeit-Angestellte und drei Praktikanten, der Laden hat von Montag bis Samstag geöffnet. Alles ist knapp kalkuliert, aber Peters lebt für die Idee. "Wir kommen inzwischen auf eine schwarze Null", sagt er. Ein Nullsummenspiel wird auf Dauer jedoch nicht reichen. Da ist die dreijährige Tochter, die versorgt werden will. Und da ist der eigene Bauernhof, den Peters erst vor kurzem gekauft hat.

Trotzdem, Peters hat seine Prinzipien. Rein nach Berlin etwa, wo die zahlungskräftige Klientel sitzt, das wäre für ihn nicht in Frage gekommen. "Ich bin kein Großstadttyp", sagt der schlanke Mann mit den blonden Wuschelhaaren. Bernau scheint ihm ein guter Kompromiss. Der eigene Hof liegt am Ortsrand, die Produzenten sind nah.

Nur: Die Innenstadt Bernaus ist schon wochentags nur spärlich belebt. Am Samstag ist ab Mittag gar nichts mehr los. Selten verirrt sich jemand in das mit hellem Holz verkleidete Geschäft. Berliner fahren durch Bernau lediglich durch, auf dem Wochenendausflug an die Ostsee oder in die Uckermark.

Ganz in der Nähe liegt ein Einkaufszentrum mit Edeka und großem Parkplatz, dort gehen die Bernauer "shoppen". "Mein Mann hat gestern schon im Supermarkt eingekauft", sagt etwa Sieglinde Krauss entschuldigend. Die Rentnerin hat sich gerade im Höfeladen umgeguckt, die Senfsorten im Regal angeschaut und die Marmeladen mit handgeschriebenen Etiketten. Mitgenommen hat sie nichts. "Vielleicht kaufe ich einmal etwas - als Ergänzung", sagt sie nach kurzem Überlegen.

Keine Erdbeeren im Januar

Peters bietet ein Vollsortiment: Wurst, Käse, Aufstriche, Brot, Milchprodukte in zwei Kühltheken, Obst, Gemüse, Hirse, Essig und Senf. Man könnte auch erst einmal hier einkaufen - und dann im herkömmlichen Supermarkt ergänzen, was fehlt. Weil Zwischenhändler fehlen und an Obst und Gemüse nur angeboten wird, was die Saison hergibt, sind die Waren nicht wesentlich teurer als anderswo: Erdbeeren und Tomaten im Januar sucht man hier vergeblich.

Barsch, Forelle und Makrele kommen vom Seenfischer Bartel in Prenden, dem letzten Berufsfischer in der Region. Am "Hof der kleinen Tiere" in Wandlitz werden Sattelschweine aufgezogen, geschlachtet und zu Wurst verarbeitet - garantiert ohne Zusatzstoffe. Wer sich überzeugen will, kann vorbeifahren und zuschauen. 100 Gramm dieser Salami kosten im Höfeladen 2,90 Euro, die geräucherten Maränen aus dem Liepnitzsee 1,90 Euro pro 100 Gramm. Peters hat Landwirtschaft studiert, er kann genau erklären, wie ein Preis zustande kommt.

Zum Auftakt lief es gut, der Bürgermeister kam zur Eröffnung, die Kunden waren durch eine Ankündigung im Lokalanzeiger neugierig geworden. Seitdem haben die Umsatzzahlen abgenommen. Peters sucht noch nach dem Weg, seinen Idealismus mit einem tragfähigen Geschäftsmodell zu verbinden. Er fährt nicht gern in die Stadt, er ist kein Marketingstratege - aber er weiß inzwischen auch, dass er mehr Menschen überhaupt auf den Laden aufmerksam machen muss. Im Sommer will er Touren zu den Höfen anbieten.

Kinder sind ihm ein Anliegen: In einem der Schaufenster steht ein überdimensionales Terrarium, in dem Peters mit Freunden nachbaut, was in der jeweiligen Jahreszeit auf den Äckern passiert. Dutzende Mini-Zuckerrüben haben sie an einem Abend geknetet und auf ein modelliertes Feld gesetzt. Ein Plastik-Trecker zieht davor Furchen.

Peters hat Schulen in Bernau und Umgebung in den Höfeladen eingeladen, um anhand des Modells über Landwirtschaft und Lebensmittel zu sprechen. Die Kinder sollten lernen, wo das herkommt, was auf ihren Tellern landet. Die meisten haben abgewinkt. Keine Zeit, zu viele andere Projekte. Eine einzige interessierte Klassenlehrerin hat Peters gefunden, sie ist mit ihren SchülerInnen aus Prenzlau unlängst vorbeikommen. Beim nächsten Mal soll es um die Mutterkuhhaltung gehen, spätestens dann wird eine neue Landschaft geknetet.

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