Auf die Plätze, fertig, klick!

START-UP Beim „Hackathon“ entwickeln rund 60 IT-interessierte Frauen in kürzester Zeit neue Programme und Anwendungen

„Ich war als Frau im IT-Bereich die wandelnde Quadratur des Kreises“

STUDENTIN TRANG NGUYEN

Laptops auf, los geht’s: In Gruppen sitzen die rund 60 jungen Frauen und wenige Männer an den Tischen und schauen konzentriert auf ihre Bildschirme. Manche hauen wild in die Tasten. 26 Stunden haben sie Zeit, um sich etwas einfallen zu lassen.

Darum geht es beim „Hackathon“: Innerhalb eines Wochenendes entwickeln die Teilnehmer neue Programme und Anwendungen – und stellen ihre Ergebnisse dann vor.

Am Samstag in Schöneberg nehmen vor allem Frauen an der deutschlandweit ersten Veranstaltung dieser Art teil. Kein Wunder: Die Initiatorinnen des Wettbewerbs sind die Berlin Geekettes. Die Organisation fördert weibliche Fachkräfte in der IT-Branche.

Vor einem Jahr habe sie acht Frauen aus der Berliner Tech-Szene getroffen, erzählt Jess Erickson, die Gründerin der Berlin Geekettes. In den zwei Stunden, die das gemeinsame Abendessen dauerte, hätten sie Ideen ausgetauscht. „Wir waren uns einig, dass IT-Expertinnen eine eigene Struktur benötigen, um ihre Erfahrungen zu teilen“, berichtet Erickson.

Mittlerweile zählt die Non-Profit-Organisation über 450 in der Hauptstadt lebende Mitglieder, darunter Investorinnen, Studentinnen der Technologie und Produktentwicklerinnen.

Die Berliner Start-up-Szene boomt. „Nie waren die Zeiten für Unternehmer besser“, berichtet Erickson. Doch nicht immer – und nicht für alle – würden die Bedingungen stimmen.

„Leider höre ich immer wieder, dass Frauen keinen Platz in der IT hätten.“

Oder schlimmer noch: Man könne keine weiblichen Entwickler einstellen, weil sie dann die männlichen Kollegen ablenken würden. „Es kann doch nicht sein, dass wir im 21. Jahrhundert leben und uns diesen Mist anhören müssen“, regt sich Erickson auf.

Nicht nur die Amerikanerin ist genervt. „Die Branche ist stark von Männern dominiert. Das ist ein Problem“, bestätigt auch die Studentin Trang Nguyen, die am Hackathon teilnimmt.

Sie berichtet von einer IT-Veranstaltung, bei der sich unter hundert Teilnehmern nur vier Frauen befanden – sie war eine von ihnen. „Ich war die wandelnde Quadratur des Kreises.“

Einmal im Monat treffen sich die Berlin Geekettes und tauschen sich aus. „Zudem veranstalten wir Diskussionsrunden und Workshops“, wirbt Erickson. Sie wünscht sich „noch mehr Hochschulabsolventinnen, die eigene Unternehmen gründen, mit frischen Ideen die Branche aufmischen und es den Männern zeigen“.

Da das Ziel des Hackathons die Entwicklung innovativer Apps und Programme ist, wollen auch Unternehmen davon profitieren. Sie stellen ihre APIs, die Schnittstellen zur Anwendungsprogrammierung, zur Verfügung. Vor Ort können Hackerinnen auf die Unterstützung firmeneigener Experten zurückgreifen. „Ich gehe oft in Clubs, und ich jogge gern. Beim Joggen fehlt mir dann der DJ“, erklärt eine Geekette ihre Idee. Eine App soll’s nun richten.

Vor dem Start des Hackathons haben sich Teams gebildet. „Natürlich sind Hacker sozial. Wir kauern nicht in einer dunklen Kammer.

Die Arbeit mit Gleichgesinnten macht auch uns Spaß“, erklärt Amélie Anglade. Die Software-Ingenieurin gibt gute Tipps: „Fünf Stunden Schlaf sollte man einplanen, schließlich wird ja kein Preis fürs Aufbleiben verliehen.“

Nach Ablauf der Zeit wird eine Jury das innovativste Produkt bewerten, die Gewinner erhalten Sachpreise. „Letztendlich kommt es vor allem auf die Präsentation an“, sagt Nguyen. Nach den vielen Arbeitsstunden bleiben zwei Minuten Redezeit, in denen sie ihre Entwicklung anpreisen.

„Das ist die eigentliche Herausforderung“, sagt Nguyen. Und widmet sich wieder ihrem Laptop. ANNE JULIANE WIRTH