Comedy-Duo Tante Luise und Herr Kurt: "Die denken, in Bremen wird nicht gelacht"

Akrobatik statt Zweizeiler: Das Bremer Duo Tante Luise und Herr Kurt exportiert seit Jahren die norddeutsche Vorstellung von Humor in rheinische Karnevalssitzungen.

Mal mit Blutwurst, mal mit Orden ausgezeichnet: Tante Luise und Herr Kurt. Bild: Kay Michalak

taz: Herr Schmitz, Herr Schucht, gibt es einen bremischen Humor?

Rüdiger Schmitz: Oh, ha.

Ralf Schucht: Ich würd' sofort ja sagen.

Schmitz: Ja, eher von der trockenen Sorte.

Schucht: Ich denke, jede Stadt hat ihren eigenen Humor, geprägt davon, wie die Leute sind. Unterwegs werden wir oft gefragt: "Seid ihr wirklich aus Bremen?" Ich sage dann immer: "Das ist das einzige, was in unserer Show nicht gelogen ist." Alle glauben immer, Bremen ist eine Stadt, wo nicht gelacht wird.

Was bringt denn die Leute in den Karnevalshochburgen dazu, Sie immer wieder einzuladen?

Schmitz: Als Bremer sind wir da allein auf weiter Flur. Ich glaube, dass der Rheinländer eine Affinität zur norddeutschen Sprache hat. Die hören sie immer wieder gerne. Wir haben zwei liebenswerte, eigenwillige Figuren, die aus der Nachbarschaft stammen. Im Rheinland gibt es auch viele urige, schräge Typen.

Das wäre eine Ähnlichkeit zu dem, was sonst im Karneval zu finden ist. Wodurch heben Sie sich denn vom närrischen Mainstream ab?

Die Bremer Rüdiger Schmitz, 55, und Ralf Schucht, 54, bezeichnen sich selbst als Sachverständige für Humorarbeit und Leibesübungen. Sie kennen sich seit 30 Jahren und touren seit sieben Jahren als Akrobatik-Comedy-Duo Tante Luise und Herr Kurt durch die Welt.

Schmitz (Tante Luise) ist gelernter Drucker und arbeitet seit 1989 als Profikünstler, unter anderem im englischen Circus Snapdragon und im Duo Get a Grip.

Schucht (Herr Kurt) ist gelernter Feinmechaniker, bekennender Arbeiter und Untermann. Arbeitet in verschiedenen Formationen als Profikünstler, seitdem das Nordmende-Werk in Bremen Ende der 80er Jahre geschlossen wurde.

Im rheinisch-westfälischen Karneval haben die beiden allein in diesem Jahr 25 Auftritte.

Schucht: Die Mischung aus Akrobatik und Comedy ist einzigartig.

Schmitz: Die übrige Karnevalskomik entsteht im Wesentlichen durch Zweizeiler: Einführungszeile und Punchline. Damit ist die Geschichte zu Ende erzählt. Unsere Geschichte ist länger, wir nehmen das Publikum mit auf eine theatralische Reise in unsere Welt.

Schucht: Bei uns ist wichtig, dass wir bewusst langsam anfangen und nicht gleich diese Schlagzahl vorlegen wie die anderen. Zwei Sätze, tätä, zwei Sätze, tätä. Wir zeigen die Figuren erst mal und lassen die Leute im Unklaren. Dann machen wir diesen Durchziehtrick durch den Ring, mit dem niemand rechnet. Die noch da sind, sind plötzlich so aufmerksam und begeistert, dass sie johlen, und die abgewandert sind, fühlen sich benachteiligt und kommen wieder. Das ist eines unserer Pfunde: immer mal was zu machen, was nicht so vorhersehbar ist, wie das im Karneval sonst üblich ist.

Wer sind Tante Luise und Herr Kurt?

Schmitz: Tante Luise hat ein geschätztes Alter von 60, kommt aus der Delmestraße, trägt ein türkisfarbenes Kleid, pinkfarbene Puschen und eine Unterbüx aus dem viktorianischen Zeitalter. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, im fortgeschrittenen Alter noch die Bühnenwelt zu erobern und nach Hollywood zu kommen. Und zwar mit Herrn Kurt.

Schucht: Die jeweiligen Spielstätten in Ratingen, Duisburg und Bad Pyrmont sind die Bretter zum Sprung über den großen Teich. Der Herr Kurt ist dabei ein noch nicht ganz erwachsen gewordener Michel aus Lönneberga, der zugibt, dass Intellektualität nicht alles auf der Welt ist. Als Begleiter und als Untermann in den Akrobatik-Nummern ist er unverzichtbar für Tante Luise.

Spielen Sie die Figuren auf einem Varité-Abend in Bremen anders als im rheinischen Karneval?

Schmitz: Die Figuren sind die gleichen, es kann aber sein, dass wir das Publikum etwas dreister oder feinfühliger anspielen, je nachdem, was für ein Publikum wir vorfinden.

Was für ein Publikum ist es denn üblicherweise?

Schmitz: Ein sehr ungeduldiges. Die werden hochgepuscht und erwarten ständig Stimmung bis zum Anschlag. Das hängt auch davon ab, wann man spielt und wie viel Alkohol schon geflossen ist. Viele Veranstalter wollen uns lieber später haben. Aber bei der Weiberfastnacht ist es auf jeden Fall gut, früh zu spielen. Da kommen die Frauen vorgeglüht an und es ist schon oft passiert, dass sie in der ersten Reihe mit den kleinen Feiglingen klopfen und komplett ignorieren, was wir da oben machen.

Schucht: Das Publikum ist sehr gemischt, da wollen sich alle Altersklassen amüsieren. Für uns, die das Karnevalsgen nicht haben, ist es schon ungewöhnlich, dass junge Menschen in einer so konventionellen, militärisch durchstrukturierten Tanzperformance auftreten. Damit würde man in Bremen keinen Blumentopf gewinnen.

Und da sind Sie das anarchistische Gegenelement?

Schmitz: Bei uns sollen sie beim Tempo-Finale auch aufstehen und mitklatschen. Aber wir haben keinen Tusch. Wir sagen der Band immer: "Ihr könnt Pause machen. Einmarsch gerne, Ausmarsch gerne, aber kein Tusch zwischendrin." Damit zeigen wir auch, dass wir etwas anders sind. Wir sind oftmals die Joker in so einer Karnevalsitzung. Es gibt ja manchmal gar nicht so viel zu lachen in so einer Sitzung. Es ist sehr deutsch, sehr durchorganisiert und für manche bierernst.

Sie haben sehr viele Orden mitgebracht. Ist das eine Auszeichnung oder kriegt die jeder, der da auftritt?

Schucht: Das ist schon eine Auszeichnung.

Schmitz: Bilden wir uns zumindest ein.

Schucht: Gut, die letzten Jahre hat es nachgelassen. Die kosten wohl zu viel Geld. Dafür haben wir jetzt mal einen Sixpack mitbekommen.

Schmitz: Oder wir kriegen eine schöne Blutwurst.

Schucht: Auch mal einen Blumenstrauß. Nur mit den Orden sind sie geiziger geworden.

Haben Sie einen Lieblingsorden?

Schucht: Nein, ich guck mir die immer nur an, wenn wir die kriegen. Dann häng ich sie weg.

Dann vielleicht ein Lieblingserlebnis?

Schucht: Die sind immer, wenn wir für kleinere Vereine spielen und bis an die Bühne heran so eng bestuhlt ist, dass man nicht mehr durch die Reihen kommt. Das ist so eine familiäre Atmosphäre, in der ganz viel Energie entsteht.

Schmitz: Lachen ist ansteckend und je näher man zusammen sitzt, desto ansteckender ist das. Wir haben gerade in Krefeld vor 900 Frauen gespielt - das ist wirklich unglaublich, wie viel Energie da rüber kommt, wenn die Frauen richtig abgehen.

Haben Sie sich durch die zahlreichen Auftritte im Karneval verändert?

Schmitz: Man lernt sicher, das Tempo der Show zu variieren. Man kann da nicht rumtrödeln, da muss man richtig Gas geben. Man wird ja auch in ein ganz enges Zeitfenster gepresst. Das ganze Ruhrgebiet ist darauf abgestellt, dass alle in diese Zeitfenster passen. Wenn man da zu spät kommt, ist der Zug abgefahren. Dann gibt es auch keine Gage.

Gibt es unter den Kollegen Neid auf die Nordlichter, die den einheimischen Künstlern die Show stehlen?

Schucht: Nein, der Kontakt ist eher nett. Für tiefergehende Gespräche reicht die Zeit nicht, das ist ein Kommen und Gehen.

Ist der Karneval für Sie die Hauptsaison im Jahr? Auch ökonomisch?

Schmitz: Das ist einfach ein prima Start ins Jahr. Man kann dann schon mal ganz entspannt in den April gucken.

Schucht: Diese Vielfalt ist einfach einmalig. Mal nur Frauen, mal nur Männer, mal gemischt. Mal ist Lackschuhkarneval mit Abendgarderobe, mal treten wir im Duisburger Opernhaus auf, wo man jede Stecknadel fallen hört. Diese Abwechslung haben wir sonst das ganze Jahr nicht. Und Artisten, die nur im Varieté auftreten, haben die nie.

Wie lebt es sich denn als professionelle Kleinkünstler den Rest des Jahres in Bremen?

Schmitz: Ökonomisch gesehen müssten wir im Rheinland wohnen. Da hätten wir mehr Auftritte und weniger Fahrtkosten. Wir fahren 40.000 Kilometer im Jahr.

Der Prophet gilt im eigenen Land nichts?

Schmitz: Ja, das gilt aber genauso für die Berliner, Münchner oder Stuttgarter.

Schucht: So grob würde ich das gar nicht sagen. Es läuft hier einfach nicht so viel. Wir haben uns hochgearbeitet und spielen preislich mittlerweile in einer Liga, die Bremer Veranstalter nicht so einfach bezahlen können. Und unter Wert verkaufen wir uns nicht. Das können wir auch den anderen Veranstaltern gegenüber nicht vertreten.

Denken Sie darüber nach, noch mal andere Figuren zu entwickeln?

Schmitz: Wir altern gemütlich mit unserem Publikum. Im Moment geht es noch ganz gut, aber wir rechnen damit, uns den Belastungen des Körpers und des Berufes anzupassen. Neue Spielelemente in der Show sind denkbar.

Schucht: Wir verändern immer mal einzelne Tricks und denken über neue Figuren nach. Aber Tante Luise und Herr Kurt sind so gut eingeführt, dass es im Moment keine Notwendigkeit gibt, andere Personen auf die Bühne zu bringen.

Schmitz: Es wäre einfach nicht clever, mit 55 noch einmal bei Null anzufangen.

Kommt Tante Luise irgendwann in Hollywood an?

Schmitz: Ganz eindeutig, ja. Sie wird noch ankommen. Entscheidend ist aber, dass sie da zufrieden ist, wo sie gerade ist.

Schucht: Wir können uns auch nicht wirklich vorstellen, dass sich die Snobs in Hollywood so amüsieren können wie unser Publikum im Karneval.

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