Rekordspieler Lionel Messi: Die Schule des Genies

Lionel Messi ist seit Dienstag der erfolgreichste Torschütze in der Geschichte des FC Barcelona. Dabei ist er noch lange nicht am Ende seiner Karriere.

Messias Messi dankt dem Vater. Bild: reuters

BARCELONA taz | Wie die Verse eines Gedichts hat Finn Zimmer Leo Messis Bewegungen auswendig gelernt. Die richtungswechselnde Ballannahme, mit der Messi den ersten Gegner ins Leere laufen lässt, das Dribbling, bei dem Messi perfekt im Laufrhythmus den Ball abwechselnd mit dem rechten und dem linken Fuß vorantreibt, schließlich die kurze Finte mit der Schulter, mit der er den Torwart ausspielt

Hundert-, vielleicht auch tausendmal hat sich Finn Zimmer Leo Messis legendäres Tor von 2007 gegen den FC Getafe auf DVD angesehen, hundert-, eher tausendmal ist er in den Garten gegangen, um es, Bewegung für Bewegung, nachzuspielen. Finn Zimmer ist elf. Er spielte beim 1. FC Köln und nach einem Umzug nun beim Förderprojekt JFC Frankfurt.

Erst wenn Kinder wie er groß sind, wird man die sporthistorische Größe Messis messen können: Lässt Messi eine Generation zurück, die seinetwegen Fußball auf eine neue Art spielt? Wird man einmal von der Schule Messis sprechen?

Rekordbrecher der Superlative

Bis es so weit ist, wird nahezu wöchentlich japsend nach neuen Superlativen gesucht, um seiner Leistung gerecht zu werden. Am Dienstag, als ein stürmischer Wind ging, wurde der Weltfußballer des Jahres mit seinen drei Toren beim 5:3-Sieg des FC Barcelona im Ligaspiel gegen Granada der erfolgreichste Torschütze in Barças pompöser Geschichte.

Mit 234 Toren übertraf Messi den bisherigen, 60 Jahre alten Rekord von César Rodríguez. Und er ist erst 24. Er hat, theoretisch, noch mehr Spieljahre vor als hinter sich. Allein 51 Tore erzielte Messi in dieser, noch laufenden Saison, und schon japst man wieder: einmalig, irrsinnig …

Der Fußball gibt längst keine Vergleiche mehr her, so wechselte Barças Trainer Pep Guardiola im Pressesaal zum Basketball: Ob man Leo Messi mit Michael Jordan vergleichen könne? „Und dann bin ich Phil Jackson oder was?“, sagte Guardiola. Jackson, der erfolgreichste amerikanische Basketballtrainer, gilt dank seiner Methodik als der Sportteamcoach schlechthin.

„Ja, man kann sie perfekt vergleichen“, sagte Guardiola, wieder ernsthafter, „Messi dominiert den Fußball wie Jordan einst den Basketball. Er ist der Beste in jeder Hinsicht. Er kann alles, und er macht alles alle drei Tage. Wir sind gesegnet, mit ihm zu leben.“

Die Ironie ist, dass er nicht wie ein Torjäger aussieht, dass er nicht spielt, wie man sich bis zu seinem Erscheinen einen Torjäger vorstellte. 1,69 Meter klein, hält er sich gern vom gegnerischen Strafraum, dem natürlichen Lebensraum der Torjäger, fern. Er schleicht sich heran oder bricht mit Urgewalt auf dem Flügel durch.

Er ist nirgendwo zu greifen

Frank Rijkaard, der Trainer, der ihm mit 17 sein Debüt bei Barça schenkte, setzte ihn als Linksfüßer auf dem rechten Flügel ein, damit er nach innen ziehen konnte, und es schien seine perfekte Position. Rijkaards Nachfolger Guardiola machte ihn zum falschen Mittelstürmer, der nur punktuell aus dem Hintergrund in die vorderste Stellung rückt, und als es wieder seine perfekte Position schien, verstand man: Er lässt sich nicht mehr mit den herkömmlichen Positionsbegriffen einordnen, Flügelstürmer, Mittelstürmer, Spielmacher, er ist der totale Angreifer, überall zu Hause, nirgendwo zu greifen.

Leo Messi verändert den Fußball. Selbst seine Rivalen macht er besser. Real Madrids Cristiano Ronaldo spielt in seinem unverstellten wie hoffnungslosen Ehrgeiz, Messi zu übertreffen, den Fußball seines Lebens. Seinen Zuschauern raubt Messi das wahre Alter.

Die einen fühlen sich verjüngt, wenn sie ihn sehen, erfrischt von der ewigen Jugend seiner Bewegungen. Die anderen, wie Barcelonas großer Schriftsteller Enrique Vila-Matas, fühlen sich schlagartig viel älter, als sie sind, weil Messi sie daran erinnert, wie viel Zeit vergangen ist, seit sie das letzte Mal einen Fußballer sahen, der ihm nahekam, Maradona, Kubala, di Stéfano.

Alle zusammen haben Schwierigkeiten, ihm noch zu folgen, selbst seine Mitspieler. Nach seinen fünf Toren jüngst beim 7:1 über Bayer Leverkusen fragte ihn Torwart Victor Valdés in der Umkleidekabine: „Entschuldigung, aber wie viele Tore hast du eigentlich gemacht?“

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