Präsident Sarkozy in der Defensive: Monsieur Fauxpas

Teuerung, Arbeitslosigkeit, Halbheiten und Peinlichkeiten. Die Zahlen sprechen gegen Sarkozy. Der „Präsident der Reichen“ hat bei der Wahl schlechte Chancen.

1. Mai in Paris: Demonstranten verlängern die Nase von Sarkozy. Bild: reuters

PARIS taz | Den schlimmsten Fehler beging Nicolas Sarkozy gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft. Statt, wie versprochen, in der Abgeschiedenheit einer Klosterzelle über die ihm übertragene Verantwortung zu meditieren, feierte er seinen Wahlsieg 2007 mit seinen reichsten Gönnern im Nobelrestaurant Fouquet’s und verbrachte anschließend Ferien auf der Luxusjacht des Milliardärs Vincent Bolloré. Das war noch ein Fauxpas, der sich mit einer Geschmacksentgleisung entschuldigen ließe.

Anschließend aber machte Sarkozy seinen wohlhabendsten Freunden ein riesiges Steuergeschenk. Mit der Einführung einer Steuerhöchstgrenze von 50 Prozent des Einkommens bekamen milliardenschwere Steuerzahler wie die L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt vom Fiskus viel Geld zurück. Diesen für andere Bürger schockierenden „Fiskalschild“ zum Schutz des Reichtums musste Sarkozy später zwar wieder abschaffen.

Als Kompensation setzte er die Grenze des Mindestvermögen, auf das die „Reichtums-Solidaritätssteuer“ erhoben wird, aber so hoch an, dass diese jetzt sehr viel weniger Geld einbringt. So musste sich Sarkozy nicht wundern, dass er bald in dem Ruf stand, der „Präsident der Reichen“ zu sein.

Umgekehrt wurde sein Wahlversprechen zur Stärkung der Kaufkraft für ihn zum Bumerang. Er hatte 2007 versichert, wer mehr arbeite, werde künftig mehr verdienen. Doch obwohl die Kaufkraft nominell um 0,6 Prozent pro Jahr stieg, haben die allermeisten Franzosen das Gefühl, dass ihr Einkommen mit der Inflation nicht mithalten kann, vor allem da die Mieten oder die Treibstoffpreise sehr viel schneller stiegen als die offizielle Teuerungsrate.

Alles einmal erhöhen, bitte.

Vor zwanzig Jahren bekam ein Arbeiter mit dem gesetzlichen Mindestlohn Smic für eine Arbeitsstunde neun Liter Diesel, heute nur noch sechs. Der Preis der sakrosankten Baguette stieg in zehn Jahren um 85 Prozent.

Gegen den massiven Widerstand der Gewerkschaften und Linksparteien setzte Sarkozy eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters von 60 auf 62 Jahre durch. Vor allem bei jenen Werktätigen, die sehr früh zu arbeiten begonnen hatten, blieb danach der bittere Eindruck, Opfer einer ungerechten Reform zu sein. Wie die Rente nach 2020 finanziert wird, bleibt zudem ungewiss.

Aus dieser Konfrontation hatte Sarkozy die Lehre gezogen, dass die Gewerkschaften Interessenvertreter sind, deren Blockadehaltung notfalls mit Volksabstimmungen umgangen werden müssten. Anders als seine Vorgänger hat er aber kein solches Referendum organisiert. Eine Gelegenheit dazu wäre der EU-Vertrag von Lissabon gewesen, zu dessen Zustandekommen Sarkozy beigetragen hatte.

Dank seiner EU-Ratspräsidentschaft 2008 hatte Sarkozy die Chance, noch vor dem Beginn der großen Krise die Europapolitik mit Initiativen zu bestimmen. Sein Projekt einer „Mittelmeerunion“, die er zuerst nur den Anrainerstaaten vorbehalten wollte, blieb die Totgeburt einer interessanten Idee, führte aber zu einer Verstimmung mit Deutschland, wo Angela Merkel diesen Stil des unabgesprochenen Vorpreschens ebenso wenig schätzte wie die Küsschen-Aufdringlichkeit des französischen Partners im persönlichen Umgang.

Erfolgen, Halbheiten und Peinlichkeiten

Seine Außenpolitik ist wie der ganze Rest von Erfolgen, Halbheiten und Peinlichkeiten bestimmt. So gewann er zuerst den libyschen Staatschef als Freund und Geschäftspartner, den er mit allem Pomp in Paris als Ehrengast empfing; knapp vier Jahre später lancierte er fast im Alleingang eine internationale Intervention zum Sturz des Diktators.

Letztlich hatten sich alle an diesen manchmal etwas vorlauten und eigensinnigen französischen Präsidenten gewöhnt, der unverbrüchlich an die universelle Bedeutung seines Landes glaubt. Diese Größe Frankreichs hat er gern mit seinem persönlichen Einfluss verwechselt. Jetzt musste er einsehen, dass er vielleicht auch bei seinen bisherigen Partnern in Europa und der Welt nicht unersetzbar ist.

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