DAUMENKINO
: Darf ich bitten?

Der Hochsommer in Toronto ist sonnendurchflutet, entsprechend strahlt der Film in satten Farben. Mittendrin in dieser oft hingetupft wirkenden Sommerwelt zwischen Vintage-Nierentisch, morgendlichem Kaffeeduft und dem Lebenskomfort in Maßen arrivierter Thirtysomethings mit zweigeschossigem Eigenheim: Margot (Michelle Williams), verheiratet mit Lou (Seth Rogen), hat durchaus literarische Ambitionen, auch wenn es derzeit nur zur Texterin von Tourismusbroschüren reicht, während er unentwegt Hühnchen für ein Kochbuch kocht. Gemeinsam ist man da angekommen, wo es sich gut aushalten lässt: Zwischen verabschiedeten Ambitionen und der Gewissheit, die eigene Jugend noch nicht völlig hinter sich gelassen zu haben. Nur dass sich Margot, wie sie eingangs erklärt, ungern zwischen zwei Dingen befindet.

Sie erklärt das eingangs im Flugzeug ihrem Sitz- und, wie sich dann herausstellt, auch Straßennachbarn Daniel (Luke Kirby). Ein zaghafter Flirt, eine Annäherung wider Willen, die Ahnung eines Seitensprungs, der langsam konkrete Formen annimmt, unter Tränen. „Take this Waltz“, die zweite Regiearbeit der sonst aufs Schauspielfach abonnierten Sarah Polley, erzählt vom gewollten und doch ungewollten Ehebruch, vom eigentlich glücklichen Alltagstrott in langen Beziehungen und wie das aufregende Neue irgendwann alt und gewöhnlich wird. Angenehm ist Polleys Film darin, dass er seine Ehebrecherin nicht als böse Schlange zeigt und man gleichermaßen alle Beteiligten versteht, außen vor bleibt niemand.

Nicht unangenehm, aber eben doch recht fad ist allerdings Polleys Neigung, ihre Motive und Bilder bis zur Überkonkretion zu kommentieren und zu beladen. Das Geheimnis, das Rätsel einer Andeutung kennt der Film nicht, alles, was geht, wird ausgesprochen oder überdeutlich symbolisiert: Im Kirmes-Scooter werden Daniel und Margot, einander noch uneins, wohin ihre Zuneigung führen soll, von der Zentrifugalkraft hin und her geworfen, dazu laufen – wie ohnehin jedes Musikstück im Film als erläuternder Chor figuriert – die Buggles mit „Video killed the Radio Star“: Das Neue schiebt das Alte zur Seite. Dahinter steckt, bei aller Sympathie, die man für Einzelnes durchaus hegen mag, ein tiefes Misstrauen des Films gegenüber seinen Zuschauern und nicht zuletzt eine wenn auch im Zweidritteltakt wippende, so doch drückend unfreie Art des Erzählens. THOMAS GROH

■ „Take this Waltz“. Regie: Sarah Polley. Mit Seth Rogers, Michelle Williams, Sarah Silverman u. a. USA 2011, 116 Min.