Straßburg soll über „Pirate Bay“ entscheiden: Ein Menschenrecht auf Torrentdateien
Einer der verurteilten Gründer von „Pirate Bay“ zieht vor den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Sein Argument: die Filesharing-Seite falle unter die Informationsfreiheit.
STOCKHOLM taz | Der juristische Streit um die Filesharing-Site „Pirate Bay“ geht in die nächste Runde. Mit Fredrik Neij erhebt nun zumindest einer der Gründer Klage vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. Wie sein Anwalt Jonas Nilsson am Montag mitteilte, werde man wegen Verstoß gegen das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit gemäß Artikel 10 der Menschenrechtskonvention klagen. Das habe die schwedische Justiz mit ihrem Urteil gegen Neij und die anderen „Pirate Bay“-Gründer verletzt.
Deren Verurteilung zu Haftstrafen zwischen 4 und 12 Monaten und einem an verschiedene Musik- und Filmkonzerne gemeinschaftlich zu zahlenden Schadensersatz in Höhe von – einschließlich Zinsen – rund 8 Millionen Euro war am 1. Februar rechtskräftig geworden. An diesem Tag hatte „Högsta domstolen", der oberste schwedische Gerichtshof, einen Revisionsantrag gegen das zweitinstanzliche Urteil vom November 2010 zurückgewiesen.
Das hatte den „Pirate Bay"-Betreibern vorgeworfen, sie hätten zumindest billigend in Kauf genommen, dass eine unbegrenzte Zahl von InternetuserInnen mit Hilfe der von ihnen zur Verfügung gestellten Plattform urheberrechtlich geschütztes Material auf ihre eigenen Rechner herunterladen konnte. Was juristisch eine Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung sei.
Doch „die Rechtslage ist tatsächlich unklar", meint Neij-Anwalt Nilsson: „Durch den automatisierten Serverbetrieb von „Pirate Bay" sind ausschliesslich nicht urheberrechtlich geschützte Informationen – die „Wegweiser" oder Torrent-files, um die es hier allein geht – zwischen Internetanwendern übertragen worden.“ Dieser technische Vorgang sei ein Bestandteil des von Artikel 10 geschützten Rechts, Informationen entgegenzunehmen und weiterzuverbreiten.
„Vor der juristischen Frage gedrückt“
Wolle man die Gründer oder Betreiber einer Plattform, die lediglich solchen Informations-Austausch ermögliche, auch für die durch Einschaltung dieses Dienstes übermittelten Inhalte verantwortlich machen, dann so Nilsson, „muss man logischerweise auch die Post verurteilen, wenn sie einen Brief mit illegalem Inhalt befördert – oder ein anderer und vielleicht eher passender Vergleich, eine Kauf- und Verkaufseite wegen Beihilfe zum Diebstahl, wenn dort ein gestohlenes Fahrrad annonciert wird.“
Der Neij-Anwalt wirft der schwedischen Justiz vor, sich vor der juristischen Frage gedrückt zu haben, wie Internetdienste rechtlich zu beurteilen seien, die sowohl für legale als auch illegale Aktivitäten genutzt werden könnten. Da auch eine eindeutige Gesetzgebung zu dieser Problematik fehle, könnte eine Entscheidung der obersten europäischen Rechtsinstanz für Rechtssicherheit sorgen.
Leser*innenkommentare
gast
Gast
Es ist doch auch der Webdesigner von Kino.to verurteilt worden. Das ist so in etwa als verurteile man den Maurerbetrieb wenn anschließend im Haus jemand ermordet wird.
Man versucht halt möglichst groß mit der Keule jeden zu treffen, den man zu fassen bekommt. Das was man früher schon praktiziert hat: Egal wen ihr findet, knüpft ihn am Marktplatz auf.