Kolumne Fernsehen: Was ist an Judith Rakers erfrischend?

Was, „DB Mobil“-Redaktion, ist an Judith Rakers „anders“? Ihre Humorfreiheit? Ihre Höhere-Töchter-Attitüde? Oder das Ablesen der Moderationskarten?

Die Punktevergabe war in vollem Gange, die schwedische Kajalprinzessin der Konkurrenz längst enteilt, als es an der Tür klingelte. Es waren meine Freunde Nitro und Glycerin. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Der gemütliche Grand-Prix-Fernsehabend war in Gefahr. Ich ließ sie trotzdem rein und bot ihnen sogar Schnaps an.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich mag Nitro und Glycerin, jeden auf seine Art, aber gemeinsam sind sie gemeingefährlich, erst recht in ihrer derzeitigen Lebenssituation: Nitro ist seit kurzem solo und Glycerin seit kurzem Vater. Wehe, wenn sie losgelassen werden!

Während der Punktevergabe war noch alles ruhig – so laut zwar, dass ich das Politstatement von Anke Engelke gar nicht mitbekommen habe, für das sie so abgefeiert wurde – aber nicht wirklich aggressiv. Nitro und Glycerin waren angetrunken, aber friedlich. Das änderte sich jedoch schlagartig, als Judith Rakers im Anschluss zur „Grand-Prix-Party“ lud. Und ich war auch noch schuld daran.

Alles begann damit, dass ich mich über das Cover des Bahn-Magazins aufregte, auf dem Rakers abgebildet ist – dazu die Headline „Erfrischend anders“. Erde an DB Mobil-Redaktion: Was bitte ist an Judith Rakers „erfrischend“ und/oder gar „anders“? Ihre Höhere-Töchter-Attitüde? Ihre Humorfreiheit? Die Art, wie sie alle Namen von ihren Moderationskärtchen abliest – inklusive ihres eigenen? Na gut, fast.

Nitro stimmte ein und schon waren wir bei den Leuten, die solche Leute einstellen. Nitro war nicht mehr zu bremsen, holte zum vernichtenden Rundumschlag gegen die ARD und ihre Hierarchen aus und gegen das hirnverbrannte Programm, das sie uns vorsetzen. Dazu sang Peter Maffay ein schrecklich gut gemeintes Lied, zu dem das Wort „Freiheit“ in allen Eurovisions-Sprachen auf die Bühnenrückwand projiziert wurde.

Zitieren möchte ich Nitros öffentlich-rechtliche Verwünschungen lieber nicht. „Dafür liebe ich diesen Mann!“, kreischte Glycerin in mein Wohnzimmer und wieherte wie auf Crack (wenigstens stelle ich mir vor, dass man auf Crack so irre lacht). Später am Abend würden Nitro und Glycerin noch auf einem Friedhof verschwinden: Wohl nur Gott allein weiß, was sie da gemacht haben (bei den beiden bin ich mir da nicht so sicher).

Während Nitro und Glycerin sich über den Couchtisch hinweg die Bälle zuspielten, wurde ich stiller. Ich teilte die Analyse, auch die Empörung, aber nicht ihre Hysterie. Sie beschimpften mich dafür – dass ich noch nicht betrunken genug war.

Glycerins Drohung, eine Bierflasche in meinen Fernseher zu schmeißen, wäre nur eine gute Idee gewesen, wenn er dabei Judith Rakers getroffen hätte und nicht lediglich die Mattscheibe. Ich konnte ihn davon abbringen, indem ich uns noch einen Schnaps einschenkte. Lange hielt der Frieden nicht. Als Glycerin mich minutenlang besprang, um mir die Fernbedienung abzunehmen, gab ich nach und machte den Fernseher aus. Dass er ihn auch einfach am Gerät hätte ausschalten können, sagte ich ihm nicht. Man soll wilde Tiere nicht reizen. Wir zogen los in die Nacht und würdigten Judith Rakers keines weiteren Wortes.

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