„Politischer Schnickschnack war mir egal“

Frank K. bezeichnet sich selbst als einen der „brutalsten Schläger“ der Berliner Neonazi-Szene in den 90er-Jahren. Jetzt ist der 29-Jährige ausgestiegen und will eine Familie gründen. Mit seiner Vergangenheit habe er abgeschlossen

In den 90er-Jahren galt Frank K.* als „einer der brutalsten Schläger“ in der Berliner Neonazi-Szene – das gibt der 29-Jährige selbst zu. Dabei habe ihn deren „politischer Schnickschnack“ weniger interessiert; es ging ihm schlicht ums Prügeln. 1999 wurde der Hüne mit den breiten Schultern und den kurzen, blonden Haaren zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis distanzierte er sich vom militanten rechten Milieu. Seit sechs Monaten ist Frank K. frei. Er gehört zu den bundesweit 225 Frauen und Männern, die sich in den letzten fünf Jahren mithilfe des Aussteigerprojekts „Exit“ von der rechten Szene gelöst haben. Auf einer Pressekonferenz des Projekts sprach Frank K. gestern über seine Vergangenheit und die Probleme, mit denen er seit dem Ende der Haft konfrontiert ist.

Da ist zum Beispiel die Angst um seine Familie. Dass die ehemaligen Kameraden aus der Szene seinen Vater brutal zusammenschlagen könnten, seine Mutter, die Schwestern. Deshalb habe er seinen Angehörigen in Sicherheit gebracht. Weit weg von Berlin, wo sie keiner finde.

Frank K. ist in seiner Heimatstadt Berlin geblieben. In deren Ostteil ist er aufgewachsen. Als Frank K. 15 ist, trennen sich seine Eltern. Den Familienstress erträgt er nicht. Er läuft weg von zu Hause, lässt die Schule sausen und landet 1993 in der Neonazi-Szene. Dort fühlt er sich verstanden und findet eine Art Familienersatz, erzählt er. Der Grund für seinen Hass: „Ich habe damals alles verachtet, was nicht den Vorstellungen in der Szene entsprochen hat.“ Doch welche Menschen er zusammengeschlagen hat, will er nicht sagen. Auch die genauen Gründe für seine Haftstrafe verschweigt er lieber. Nur so viel: Schon das kleinste auffällige Merkmal eines Passanten habe gereicht, um ihn zu provozieren – selbst Leute, die nur ins Solarium gingen, habe er verurteilt und wohl auch angemacht.

Während seiner Haft nimmt er sich erstmals Zeit zum Nachdenken. Der ideologische Einfluss der Kameraden schwindet. K. redet stattdessen mit Mitgefangenen, mit Psychologen. Er stellt fest, dass „alles falsch ist“, woran er geglaubt hat. „Irgendwann brach für mich eine Welt zusammen.“ K. beschließt, sich aus der Szene zu lösen. Er wünscht sich eine Familie.

Im Gefängnis macht K. eine Ausbildung zum Kfz-Ingenieur. Unter den Azubis sind auch Ausländer. Er betrachtet das Quatschen und Kaffeetrinken mit ihnen heute als großes Glück. „Ich habe sie von einer anderen Seite kennen gelernt, es sind Freundschaften entstanden“, sagt er.

Vor sechs Monaten wurde Frank K. entlassen, nach 6,5 Jahren, vorzeitig wegen guter Führung. „Mit meiner Vergangenheit habe ich abgeschlossen,“ sagt er jetzt und wünscht sich, dass es nie so gekommen wäre. Dennoch findet er es gut, wenn die Leute den Mut haben, nachzufragen, wenn er die Möglichkeit bekommt, zu zeigen, welche Gefahren die rechte Szene in sich bringt.

Seine Vergangenheit vollständig abzuschütteln, dafür wird Frank K. aber noch eine Weile brauchen. „Sport machen, in kurzen Hosen zum Beispiel, oder schwimmen gehn – das ist alles nicht möglich“, stellt er fest. Noch immer sind seine Beine tätowiert. und er will nicht ständig darauf angesprochen werden.

Für Probleme dieser Art hat er Exit. Die Organisation war auch sein Ansprechpartner, als er vor kurzem ein Fernsehinterview gab und danach Drohungen erhielt. Mit den Mitarbeitern beratschlagt er, wie er mit Situation umgehen soll. Mittlerweile hat K. wieder einen großen Freundeskreis. Auch die Mitglieder seiner Rugby-Mannschaft zählt er dazu. Und dank seines sehr guten Facharbeiterabschlusses kann er ein Kfz-Ingenieurstudium aufnehmen. Friederike Meyer

* Name geändert