neues aus neuseeland: putzen auf der öko-farm von ANKE RICHTER
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Was dem Deutschen sein ukrainisches oder polnisches Au-pair-Mädchen, ist dem Kiwi sein japanischer oder schwedischer Wwoofer. „Willing Worker on Organic Farms“ sind das Beste, was einer Landkommune mit Antriebsschwäche passieren kann: Freiwillige Helfer ackern gegen Unterkunft und Verpflegung. Denn Rucksackreisende wollen alles, aber keine Touristen sein. Lieber zupfen sie im Akkord Unkraut und wühlen im Matsch. Schadstofffrei.

Ich war auch mal Wwoofer. Das war vor langer Zeit in Australien und die beste Kur nach jahrelanger Fernsehmaloche. Keinen Bauern konnte ich damit beeindrucken, die 41. Talkshow mit Konsul Weyer auf die Beine gestellt zu haben, die der schöne Titelhändler dann mit entgleisten Gesichtszügen verließ; was zählte, war, einen Zaun zimmern zu können, der einer wildgewordenen Gänseherde standhielt.

Mal schlürfte ich bei reichen Osho-Verehrern Cappuccino, mal hauste ich bei schlichten Analphabeten mit großer Liebe zur Schweinezucht. Öko war an ihnen vor allem, dass sie die Anleitung auf den Düngemittelkanistern nicht entziffern konnten.

Bei einer Regenwald-Sippe musste ich vor Arbeitsbeginn einen Joint rauchen und mir die Schuhe ausziehen – „du musst die Erde spüren, sonst kriegst du Krebs!“. Da gab es den radikalen Rohkost-Veganer, dem gerade die Frau weggelaufen war, weil er den Herd zerstört hatte. Er trank morgens mit leuchtenden Augen einen kräftigen Schluck Eigen-Urin. Als er mir die geheime Nacktbadestelle am Fluss zeigen wollte, nahm ich Reißaus. Doch konnte selbst das meine Wwoof-Begeisterung nicht trüben.

Zehn Jahre später war ich wieder so weit, diesmal in Neuseeland. Aber nun hatte sich einiges verändert. Zuerst lernte ich, die Selbstauskünfte der Arbeitgeber im Wwoof-Handbuch zu entschlüsseln. Wenn sich jemand als „kreatives Kunstwerk“ beschreibt und brüstet, einst „der beste Aura-Heiler der Schweiz“ gewesen zu sein, dann handelt es sich garantiert um eine verkrachte Existenz. Vorsicht auch bei „Farm“-Besitzern, die tatsächlich ein bescheidenes Einfamilienhaus, aber vier hyperaktive Kinder haben. Genauso bei Pensionen, die billige Küchenhilfen suchen und deren Bio-Status sich nur auf den ungespritzten Kräutern im Kühlschrank gründet. Öko und Ausbeutung verträgt sich im Reich der Wwoofer überraschend gut: Was tut man nicht alles umsonst für eine wirklichkeitsnahe Erfahrung.

So geschah es denn auch, dass ich mich mediengesättigt und zivilisationsgeschädigt wieder in die grüne Hölle begab. Ich landete bei einer neurotischen Homöopathin, die mich kaum grüßte, sich abends Paracetamol einwarf und eine Flasche Scheuermittel neben die von oben bis unten mit Schimmel bedeckte Dusche stellte: mein Tageswerk. Da hockte ich auf den Knien, entfernte die garantiert unbehandelte Natur und fragte mich, was ich falsch gemacht habe – immerhin hatte ich wenige Wochen zuvor noch eine Putzfrau.

Aber die Zeiten ändern sich. Und zwar so rasant, dass jetzt die erste Wwooferin zu uns ins Haus kommt: Beate aus Wiesbaden, reif für einen Tapetenwechsel. Kann sich prima um den Garten kümmern. Es wäre auch verdammt praktisch, wenn jemand öfter die Dusche schrubbt.