Ein ganz weites Feld

KUNST Die Gesellschaft für Aktuelle Kunst zeigt mit vier KünstlerInnen „Die Geometrie der Dinge“ auf – und changiert zwischen Zweifel, Trivialität, Spiel und Erzählung

Es um hier um nicht weniger als die „Sprache der Menschheit“, wie Le Corbusier sagte

VON JAN ZIER

Grundsätzlicher geht es kaum. Schließlich gibt es – seit die abstrakte Kunst in die Welt kam – nur wenig, was sich nicht auch irgendwie unter dem Titel „Die Geometrie der Dinge“ fassen ließe. Andererseits ist der formalisierte, unpersönliche Minimalismus vielleicht die erste Assoziation, die man an dieser Stelle hegt. Die neue Ausstellung in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) – bewegt sich irgendwo dazwischen. Sie vereint vier Positionen zum Thema. Ohne für sich in Anspruch zu nehmen, es mehr als nur ausschnitthaft zu beleuchten. Sie ist nicht so humorbefreit, wie man es befürchten könnte. Aber leider erklärt sie ihre Werke und deren Geschichten zu wenig – dabei ist doch die wunderbar-ironische Wendung „Ich kapier’s nicht“ so eine Art Slogan der GAK. Und es gäbe schon auch einiges zu erzählen.

Einer, der die genannten Erwartungen am ehesten erfüllt, ist Markus Amm. Seine Bilder erinnern an die rhythmisch geometrischen Kompositionen vergangener Avantgarden, sind aber dankenswerterweise frei von Nostalgie. „Die Moderne ist mehr als eine Formensprache“, hat er mal gesagt, und dass er ja nicht so tun könne, als ob es möglich sei, sie neu zu erfinden. Also versucht er damit zu spielen. Das ist manchmal hart an der Grenze der Banalität – etwa, wenn er vier rein schwarze Fotografien hinter Glas hängt, die dank einer Münze an je einer Ecke abrundet sind. Er nennt das „Coin Studies“, weil Coin im Englischen „Münze“, im Französischen aber „Ecke“ heißt. Nun ja.

Liebenswert irritierend hingegen ist seine – soll man es Malerei nennen? – auf den Säulen des GAK-Raumes. Es sieht wie ein Klebestreifen aus, ist aber keiner, und erinnert an diese Pappbauten, die Künstler von Räumen oft basteln, ehe sie dort ausstellen. Die dazugehörige Kunst fehlt, quasi, das einst störende des Modells aber bleibt.

Für die GAK eine völlig neue Serie entwickelt hat Sara Barker. Ihre Skulpturen sind eher dreidimensionale Zeichnungen und funktionieren alle nach ein und demselben Prinzip: Es sind fragile lineare Konstruktionen aus Metall, Porzellan und Farbe, die keine rechten Winkel haben, dafür ebenso viel architektonische Anklänge wie Kleiderbügel-Charme. Eine der vier hier gezeigten Varianten gewinnt indes deutlich – durch einen monumentalen, gläsernen Paravent, der auf einer Seite offen ist, auf der anderen aber wie eine Vitrine daherkommt. Es geht bei Barker also um die Frage der Größenverhältnisse, die Präsentation im Raum – die Antworten sind sehenswert, aber freilich nicht ganz neu.

Weniger um neue als um der Welt im Allgemeinen schon innewohnende Geometrien geht es Charlotte Moth. Dabei sind ihre Arbeiten wunderbar erzählerisch, etwa „Gone wrong footage“, ein digitalisierter 16-Millimeter-Film, der erst jüngst entstand und doch auf wunderbare Weise aussieht, als wäre er viele Jahrzehnte alt. Er widmet sich E 1027, einer Villa an der französischen Riviera, in den Zwanzigern gebaut von der irischen Designerin und Architektin Eileen Gray. Ihr Kollege Le Corbusier, der mal sagte, die Geometrie der Dinge sei als „Sprache der Menschheit“ ein allem zugrunde liegender „Rhythmus“, besaß in der Nachbarschaft ein Sommerhäuschen. Eines Tages brach er in E 1027 ein, hinterließ fünf große Wandgemälde, später starb er im Meer, wohl mit Blick auf jenes Haus. Dieser Kontext schwingt bei Moth zwar mit, wird in der Ausstellung selbst jedoch nicht erwähnt. Was bleibt, sind Annäherungen, die sich „zwischen Bildern und Erfahrungen bewegen“, wie Moth selbst das ausdrückt. Und die zugleich sehr schön mit Erinnerungen spielen.

Nur am Rande um die Form geht es bei Robin Watkins. Vielleicht noch am ehesten bei „Tage der Trägheit“, einem unpoetisch-schnöden Stapel aus 365 Blatt Papier mit einer künstlichen Frucht darauf. Zum Glück ist er nicht immer so trivial. An anderer Stelle verfolgt er in einem quasi experimentellen Versuch, was passiert, wenn man zwei Bohnen ins Wasser legt. Nur eine saugt sich voll – wussten Sie das? Watkins macht den Mond verantwortlich, unklar, ob er damit recht hat. Egal. Das Ganze lebt ja auch, nein: gerade vom Zweifel.

■ bis 5. Mai, Gesellschaft für Aktuelle Kunst, Teerhof 21