Swinging Sophiatown

Vom Hedonismus zum Kampf gegen das Apartheidregime: In „Drum“ erzählt der südafrikanische Filmemacher Zola Maseko von einem Lifestyle-Journalisten, der unerwartet politisch wurde

VON SEBASTIAN FRENZEL

Es ist genau 50 Jahre her, dass Bulldozer den Johannesburger Stadtteil Sophiatown niederrissen. Marode Bauten, Schmutz, Kriminalität – für das Apartheidregime gab es viele Gründe für den Abriss. Mit Sophiatown vernichtete es einen Stadtteil, dessen einzigartiges Gemisch von Verwahrlosung und Vergnügungssucht den Nährboden für subversives Gedankengut bildete. In den schäbigen Baracken wohnten Künstler, Gangster und Schriftsteller, wohnten Weiße und Schwarze Seite an Seite. Das Alkoholverbot umging man durch selbst Gebrautes, in den illegalen Bars spielten Bands „kwela“, die südafrikanische Variante des Swing. Das Magazin Drum war die Stimme dieses Stadtteils und eines der wenigen Hefte, das sich an die schwarze Bevölkerung Südafrikas richtete.

Der südafrikanische Regisseur Zola Maseko erzählt in seinem Film „Drum“ die Geschichte dieses Magazins, und er erzählt die von Henry Nxumalo, dem berühmtesten Autor. Als Nxumalo Anfang der 1950er-Jahre als junger schwarzer Journalist zu dem Magazin kommt, ist es alles andere als ein politisches Blatt. Geführt von einem Engländer, bietet Drum Klatsch und Pin-ups, und auch Nxumalo widmet sich lieber dem Hedonismus als der Politik. Gleich zu Beginn taucht der Film ein in das flirrende Nachtleben Sophiatowns. Die entsprechenden Sequenzen erinnern an Hollywoodfilme, die während der Prohibitionszeit spielen: Rauchschwaden hängen in der Luft, das Kleid der Sängerin glitzert im schummrigen Licht. In den Bars und Boxhallen findet Nxumalo (Taye Diggs) seine Geschichten und Ablenkung vom Alltag – seine Arbeitstage enden meist im Vollrausch und im Bett fremder Frauen.

„Drum“ ist dennoch ein Film, der vom Widerstand gegen das Apartheidsregime handelt. Dabei bewegt er sich jenseits der gewohnten Bilder von Township-Armut und ANC-Demonstrationen. Auch wenn Masekos Inszenierung der Barszenen und des verkaterten Redaktionsalltags ein wenig plump und stilisiert daherkommt, so ist dieser Ansatz doch erfrischend: Der Regisseur entwirft ein Südafrika, in dem zumindest für kurze Zeit und beschränkt auf wenige Enklaven so etwas wie ein „bürgerliches“ Leben auch für die schwarze Bevölkerung möglich ist, in denen die schwarzen und weißen Autoren des Drum-Magazins mit großer Selbstverständlichkeit miteinander arbeiten und feiern.

Der Konflikt, auf den der Film zusteuert, entspringt denn auch eher der Zwangsläufigkeit als einer bewussten, widerständigen Haltung gegen das Regime. Eine alte Frau spricht Nxumalo auf der Straße an und erzählt ihm von den Missständen auf einer Arbeitsfarm. Nxumalo heuert verdeckt auf der Farm an. Dort erlebt er am eigenen Leibe die grausamen Arbeitsbedingungen der schwarzen Tagelöhner; nur unter Lebensgefahr kann er vor dem brutalen Farmbesitzer fliehen. Seine Reportage über die Farm erscheint als Aufmacher des Blattes, sie macht Henry Nxumalo über Nacht berühmt, doch zwangsläufig gerät er darüber in das Visier des Regimes.

Nxumalos Enthüllungsgeschichte bildet den Wendepunkt in Masekos Film. In den Redaktionsräumen herrscht Aufbruchstimmung. Die Drum-Autoren spüren, dass sie etwas bewegen können mit ihren Artikeln. Nxumalo landet seinen nächsten Coup, als er sich in ein Gefängnis einschleust. Wir sehen ihn unter den anderen Gefangenen; nackt müssen sie im Hof antreten und die Misshandlungen der Wärter über sich ergehen lassen. Als seine Gefängnisreportage veröffentlicht wird, kommt es zur Konfrontation mit den weißen Machthabern, die ihm unmissverständlich klarmachen, dass er sich besser wieder belangloseren Themen zuwenden sollte – doch Nxumalo wird sich darauf nicht einlassen.

Maseko, der mit „Drum“ beim Fespaco-Festival in Burkina Faso in diesem Jahr den wichtigsten afrikanischen Filmpreis gewonnen hat, greift mit seinem Film eine Geschichte auf, die außerhalb Südafrikas bislang wenig bekannt sein dürfte. Erfrischend kommt dabei zunächst sein Ansatz daher, doch verliert er sich bald in schematischen Erklärungsmustern. So inszeniert er die Entwicklung vom Lebemann zum politischen Journalisten als Ergebnis einer Unterhaltung zwischen Nxumalo und seiner moralisierenden Ehefrau, und so spitzt er auch den Konflikt zwischen Nxumalo und den weißen Machthabern auf Dialoge zu, die hölzern wirken. Der US-amerikanische Hauptdarsteller Taye Diggs ist ein Totalausfall – umso mehr stößt auf, dass Maseko seinen Film letzthin als Helden- und Leidensgeschichte des Henry Nxumalo inszeniert und dabei allzu vorhersehbar verfährt. Einen eigenen Stil findet er für diese spezifisch südafrikanische Geschichte nicht.

„Drum“. Regie: Zola Maseko. Mit Taye Diggs, Jason Flemyng, Tessa Jaye, Gabriel Mann u. a., USA/Südafrika 2004, 95 Min.