Bedroht, misshandelt und dann abgeschoben

Human Rights Watch legt Bericht zu Migranten und Asylsuchenden in der Ukraine vor. Fazit: kein sicheres Asylland

BERLIN taz ■ „In der Ukraine sind Migranten und Asylsuchende ständigen Misshandlungen ausgesetzt – einschließlich langer Haft unter entsetzlichen Bedingungen. Sie werden Opfer von Gewalt, Erpressung, Raub sowie einer gewaltsamen Rückführung in ihre Heimatländer, wo sie Folter und Verfolgung erwarten.“

So lauten zwei der wenig ermutigenden Feststellungen des Berichtes „An den Rändern – Rechtsverletzungen im Falle von Migranten und Asylsuchenden an der neuen Ostgrenze der Europäischen Union“, den die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) gestern vorstellte. Rund 150 Migranten und Asylsuchende in der Ukraine sowie in Polen, Ungarn und der Slowakei hat die Organisation im vergangenen Frühjahr befragt. Die Befunde erinnern eher an die finstersten Zeiten unter Expräsident Leonid Kutschma denn an ein Land, das nach der Revolution in Orange den Weg nach Europa eingeschlagen hat.

So ist die Internierung von Flüchtlingen in überfüllten, schlecht ausgestatteten Sammelunterkünften die Regel. Dort mangelt es an allem: an Schlafplätzen, Kleidung, medizinischer Versorgung und Frischluft. Misshandlungen, Bedrohungen und Erpressungen durch das örtliche Personal sind an der Tagesordnung. Vielfach haben die Betroffenen weder Zugang zu einem Übersetzer noch zu einem Anwalt und können daher gegen ihre entwürdigende Behandlung auch nicht rechtlich vorgehen.

Unter der Willkür der Behörden leiden besonders die Tschetschenen. Obwohl sie als Staatsbürger der Russischen Föderation für die Ukraine nicht visapflichtig sind, gelingt der Grenzübertritt nur nach vorheriger Zahlung von „Motivationshilfe“. Tschetschenen, die die Polizei in der Ukraine aufgreift, werden gehindert, einen Asylantrag zu stellen, und meist sofort nach Russland abgeschoben. Bislang wurde keinem Antrag eines Tschetschenen auf Asyl stattgegeben. „Sie sehen uns nicht als Menschen an“, zitiert der HRW-Bericht eine Tschetschenin.

Die Ukraine könne weder als sicheres Asylland, noch als Land angesehen werden, in das Migranten und abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden dürfen, heißt es in dem Bericht weiter. Doch genau das passiert. Instrumente der EU, um sich unerwünschter Gäste zu entledigen, sind die Rückführungsabkommen Polens, Ungarns und der Slowakei mit Kiew, die seit 2004 in Kraft sind. Ob die Botschaft von HRW in Brüssel ankommt, darf daher bezweifelt werden. BARBARA OERTEL