Debatte Rassismus in den USA: Googeln mit Bo

Niemand redet gerne darüber. Aber der unter weißen Männern verbreitete Rassismus ist für Barack Obama ein riesiges Problem.

Sein Name polarisiert. Bild: dpa

Es ist nicht zu übersehen: Bei Veranstaltungen des republikanischen Herausforderers Mitt Romney sind die Anhänger weiß. Barack Obamas Befürworter repräsentieren da schon eher die Nation, in der Weiße etwa 63 Prozent der Bevölkerung ausmachen, Latinos knapp 17 Prozent, Afroamerikaner gut 12 Prozent und Einwohner asiatischer Abstammung knapp 6 Prozent.

Trotzdem kommt Obamas Herkunft, rechnerisch gesehen, für den Präsidenten negativ zum Tragen. Denn auch in der Demokratischen Partei ist seine Hautfarbe ein Problem für manch Weißen. Auch wenn man im weißen Amerika ungern über Vorurteile spricht. Und Obamas Wahlstrategen lieber nichts sagen, um nicht als klagende Opfer aufzutreten und das Vorurteil zu bedienen, Schwarze wollten bevorzugt behandelt werden.

Wie viele nicht für Obama stimmen, weil er Afroamerikaner ist, lässt sich schwer erfassen. Aber es gibt ganz schön bizarre Anzeichen. Bei den demokratischen Vorwahlen im Bundesstaat West Virginia (93 Prozent der Bevölkerung weiß) sind im Mai zwei Kandidaten angetreten, Obama und Keith Judd, seines Zeichens Insasse im Gefängnis Beaumont in Texas, einsitzend wegen Erpressung.

Suchbegriff „Nigger“

Der Ganove bekam 43 Prozent, der Präsident 57 Prozent. Joe Manchin, der demokratische Senator von West Virginia, der auch wiedergewählt werden möchte, kennt offenbar seine Pappenheimer: Er wollte Reportern nicht sagen, wen er gewählt habe. Gouverneur Earl Tomblin auch nicht. Judds Qualifikation: Er hat eine weiße Hautfarbe. Manchin und Tomblin informierten vergangene Woche, sie kämen nicht zum Konvent der Demokratischen Partei, bei dem Präsident Barack Obama offiziell nominiert wird.

Seth Stephens-Davidowitz, ein junger Informatiker an der Harvard-Universität, hat herausfinden wollen, wie viele Stimmen der Rassismus den Präsidenten kosten könnte. Schwierig, sagte er der taz. Kaum jemand wolle seinen Rassismus zugeben. Stephens-Davidowitz verfasste eine ungewöhnlich recherchierte Studie: „Die Auswirkungen rassenbegründeter Feindseligkeit auf das Wahlverhalten“ (The Effect of Racial Animus on Voting). Stephens-Davidowitz hat gegoogelt mit „Google Insights“.

Die Suchmaschine spuckt Daten aus zu Suchvolumenmustern. Also wie häufig in bestimmten Regionen ein bestimmter Suchbegriff eingegeben wird. Er habe das rassistische Schimpfwort „Nigger(s)“ getestet, schrieb der Informatiker Stephens-Davidowitz. Er gehe dabei davon aus, dass die rassistischen User am Laptop sich keinen Zwang antun würden.

Es zeigten sich beträchtliche regionale Unterschiede. West Virginia lag ganz vorne im Volumen der „Nigger(s)“-Suche. In den Südstaaten, aber auch in eher ländlichen Regionen von Illinois, Michigan, Pennsylvania und New York hätten User häufig nach „Nigger(s)“ gesucht. Im Mittleren Westen dagegen wenig.

Vorurteile bestätigt

Dann verglich der Informatiker Resultate der Präsidentschaftswahlen von 2004 und 2008 mit dem Suchvolumenergebnis.

Landesweit erhielt Obama 2008 52,9 Prozent der Stimmen, deutlich mehr als der unterlegene Demokrat John Kerry 2004 (48,3 Prozent). Regionen mit vielen rassistischen Google-Anfragen hätten sich dem nationalen Stimmentrend hin zu Obama aber widersetzt.

Als typisches Beispiele nannte Stephens-Davidowitz Wheeling in West Virginia und Denver in Colorado. In beiden Städten habe Kerry 50 Prozent bekommen. Obama erhielt 57 Prozent in Denver und 48 Prozent in Wheeling.

Stephens-Davidowitz rechnete hoch: Wegen der Rassenvorurteile habe Obama insgesamt drei bis fünf Prozentpunkte weniger bekommen.

Es hätten aber auch mehr Afroamerikaner gewählt, die Obama ein Plus von etwa einem Prozentpunkt verschafft hätten. Obama hat 2008 gewonnen mit 43 Prozent der weißen, 95 Prozent der schwarzen und 66 Prozent der hispanischen Stimmen. Die Umstände von 2008 waren freilich einzigartig. Die Wähler hatten die Nase voll von Bush, es drohte anscheinend ein Wirtschaftskollaps.

Die Idee, ein schwarzer Präsident würde Rassismus abbauen helfen, ist nicht aufgegangen. Eher das Gegenteil, wie der Politikwissenschaftler Michael Tesler von der Brown-Universität in Rhode Island in Untersuchungen demonstrierte. Der Name Obama polarisiere. Menschen mit Vorurteilen gegen Schwarze (die zum Beispiel behaupten, Jobdiskriminierung sei überhaupt nicht schuld an der schlechteren wirtschaftlichen Lage Schwarzer) lehnten Maßnahmen besonders entschieden ab, wenn sie mit „Obama“ in Verbindung gebracht werden.

Bo, der Hund des Präsidenten

Das gelte sogar für den First Dog Bo: Tausend Befragungsteilnehmern wurde ein Foto von Bo Obama gezeigt, dem schwarzen portugiesischen Wasserhund mit den weißen Pfoten. Was sie von dem Hund hielten? Der Hälfte der Teilnehmer wurde gesagt, es handle sich um Ted Kennedys Hund Splash, der anderen Hälfte, der Hund sei Bo Obama. Tesler hatte Vorinterviews geführt zu Rassenfragen. Befragte mit einer eher skeptischen Haltung zu Afroamerikanern gaben Bo Obama deutlich schlechtere Bewertungen als Splash.

Die USA stecken im radikalen demografischen Umbruch. Noch vor zwanzig Jahren stellten weiße Bürgerinnen und Bürger nach Angaben des Politikwissenschaftlers Alan Abramowitz 87 Prozent der Wähler. Heute sind es „nur“ noch etwa 72 Prozent. 2020 werden es nur mehr zwei Drittel sein. (Die Wahlbeteiligungsrate Schwarzer und der Hispanics ist niedriger als die Weißer.) Und all die Minderheiten, seien es Afroamerikaner, Latinos oder Bürger asiatischer Abstammung, vertreten eher progressive Ansichten. Die Republikaner verkommen zur Partei der Weißen.

Zukunft ist das keine für Romneys Partei. Kein Wunder, dass sich weiße Ressentiments anhäufen, vor allem bei Männern. Es geht um Privilegien. Und die Klassenanalyse, dass der weiße Arbeiter und Angestellte mehr gemeinsam hat mit dunkelhäutigen Nachbarn als mit Mitt Romney: Die ist nicht sonderlich weit verbreitet.

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