MIETEN : Einzelhandel bedrängt Kino

Das Streits-Kino am Jungfernstieg soll im nächsten Jahr schließen. Damit das nicht passiert, hat sich ein Interessent gemeldet, der schon das Passagekino gerettet hat.

War einst Treffpunkt großer Schauspieler und steht nun womöglich vor dem Aus: Das Streits Kino am Jungfernstieg. Bild: Miguel Ferraz

Das „Streit’s“ ist eines der ältesten Kinos in Hamburg. Seit 1956 werden am Jungfernstieg Filme gezeigt. Die Liste der Stars, die einst über den roten Teppich schritten, ist eindrucksvoll: Barbra Streisand reiste zur Premiere des heutigen Kultfilms „Yentl“ an. Steven Spielberg ließ es sich nicht nehmen, „Schindlers Liste“ persönlich vorzustellen. Es ist der Glanz vergangener Zeiten, denn große Stars hat das Haus Nummer 38 lange nicht mehr gesehen.

Im Jahr der Eröffnung des Streit’s ging jeder Hamburger statistisch gesehen 20 Mal pro Jahr ins Kino, 2011 nur noch durchschnittlich 2,4 Mal. Filme werden heute oft zu Hause und im Internet geguckt.

Der Betreiber des Streit’s, Greater Union aus der Cinestar-Gruppe, setzt deshalb auf eine nach eigenen Angaben profitable Nische: Filme in Originalversion ohne Untertitel. Außerdem habe man technisch mit einer der Zeit angepassten, digitalen 3-D-Anlage aufgerüstet. Dennoch soll das Kino voraussichtlich 2013 geschlossen werden. „Wir würden das Streit’s gerne weiterbetreiben, sind parallel aber auf der Suche nach Ausweichflächen. Die am Einzelhandel orientierten Mieten werden nach Auslauf des Mietvertrages nicht mehr tragbar sein“, schreibt Cinestar-Geschäftsführer Matthias Kutz in einer Mitteilung.

„Die Hamburger wollen nicht irgendwo ein Kino, sie wollen ihr Streit’s am Jungfernstieg“, sagt Heinz Lochmann zu diesen Plänen. Er ist Cineast, Unternehmer und am Weiterbetrieb des Kinos interessiert und würde es gerne übernehmen. Im Gegensatz zu Cinestar ist Lochmann von dessen Wirtschaftlichkeit überzeugt – auch zu neuen, teureren Konditionen. Im letzten Jahr bewahrte er schon das Passagekino an der Mönckebergstraße vor dem Aus. Das kostete ihn 1,7 Millionen Euro. „Man braucht schon eine gesunde Portion Idealismus und ein großes Stück Liebe zum Kino bei einer solchen Summe“, sagt der Geschäftsmann, der in Baden-Württemberg fünf Kinos betreibt. Darunter die Löwenlichtspiele, die Lochmann, gelernter Bäckermeister, von seiner Tante erbte. Ein sechstes Kino lässt er gerade bauen. „Ein Haus mit so viel Geschichte sollte nicht aufgegeben werden“, sagt der Schwabe.

Mit den Vermietern des Streit’s, Christoph Reimers Immobilien, ist er in Kontakt. „Sie sind Hamburger Kaufleute“, sagt Lochmann, „natürlich wollen sie ein lukratives Geschäft machen. Man muss sehen, ob es gelingt, Hamburger Weitblick und schwäbische Bescheidenheit unter einen Hut zu bringen.“

Vielleicht hilft die „Rote Liste“ des deutschen Kulturrates bei der Entscheidungsfindung: In das Pendant zur „Roten Liste bedrohter Tierarten“ wurde auch das Streit’s aufgenommen. Der Kulturrat will damit ein Zeichen gegen den Kulturabbau in Deutschland setzen. Die Öffentlichkeit soll sensibilisiert und über die Gefährdung von Kultureinrichtungen informiert werden.

Die „Rote Liste“ fand auch Aufmerksamkeit bei der Hamburger Kulturbehörde. „Wir haben es gesehen“, sagt Sprecher Stephan Nowicki, „aber private Kinos sind private Kinos. Wenn der Eigentümer eine andere Nutzung anstrebt, bleibt uns nicht mehr, als gut zuzureden.“ Natürlich fände man eine Schließung schade, auf die Entscheidung des Eigentümers könne die Kulturbehörde aber keinen Einfluss nehmen. Den Hamburger Kinoliebhabern bleibt vorerst die Hoffnung.

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