Geht der MfS-Wachschützer des Bundestags?

Lutz Heilmann, erster hauptamtlicher Stasi(wach)mann im Bundestag, muss sich Vertrauen im Landesverband holen

BREMEN taz ■ Der Platz im Geschichtsbuch ist dem Abgeordneten Lutz Heilmann (Linkspartei) schon jetzt sicher. Er gilt seit Anfang Oktober als erster hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter, der einen Sitz im Bundestag errungen hat. Der 39-Jährige stand gut vier Jahre lang auf der Gehaltsliste des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR.

Nicht ausgeschlossen, dass der Diplomjurist nun einen weiteren Rekord aufstellt – den der kürzesten Mandatsdauer. Am Sonntag berät die Mitgliederversammlung der Linkspartei Schleswig-Holsteins über einen Misstrauensantrag gegen ihren Stasimann in Berlin. Wird ihm stattgegeben, bliebe Heilmann nur der Rücktritt: „Es würde mir sehr schwer fallen, ohne das Vertrauen meines Heimatverbandes zu agieren“, wand sich der 39-Jährige im Gespräch mit der taz.

Dennoch gilt ein anderes Szenario als wahrscheinlicher. Heilmann bekommt, leicht beschädigt, die Absolution. Denn die potenzielle Nachrückerin für Heilmann wäre Heidi Beutin – die der listeninternen Konkurrenz von der WASG entstammt. Die zürnende Basis kann sich dafür an der Landesvorsitzenden Edda Lechner schadlos halten. Gegen sie liegt ein Abwahlantrag vor. Grund für den Ärger ist nämlich weniger die Vergangenheit des Abgeordneten selbst, sondern dass sie als „Wehrdienst“ verbrämt wurde. Tatsächlich hatte der 1966 in Zittau geborene Heilmann von 1985 bis 1990 Wehrersatzdienst bei der Hauptabteilung Personenschutz des MfS geleistet. Als Bodyguard, nicht als Spitzel. Eine Spionagetätigkeit trauen ihm selbst seine schärfsten Kritiker nicht zu.

Die Landesvorsitzende war darüber informiert. Es nicht bekannt zu geben sei „ein Fehler gewesen“, sagte Lechner der taz. So stellt’s auch Heilmann dar. „Dass da Parteitagsbeschlüsse existieren, die fordern, so etwas offen zu legen“, so der Abgeordnete, „davon hatten wir alle keine Kenntnis.“ Heilmann ist – mit Unterbrechung – 19 Jahre Mitglied der Linkspartei und ihrer Vorgängerorganisationen wie PDS oder SED.

In der Fraktion scheint der eher zum Hinterbänkler prädestinierte Parlamentsneuling ohnehin abgeschrieben. Zwar hatten ihm seine 53 Fraktionskollegen nach einer Aussprache das Vertrauen zugesichert. Fürs angestrebte Amt des Schriftführers reichte es aber nicht. Von den Themenfeldern Rechts- und Bildungspolitik, die er hatte besetzen wollen, sei in der konkreten politischen Arbeit wenig übrig geblieben. Oder, wie er zerknirscht eingestand, „eigentlich nichts“. BENNO SCHIRRMEISTER